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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Autoren: Karim El-Gawhary
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Aussage jeden Tag 16 Stunden mitten in Bagdad, ohne die Stadt je zu Gesicht zu bekommen. Der ambitionierte junge Anwalt mit seiner Hoffnung auf einen gutsituierten Job im Pentagon oder im Weißen Haus lebt heute sozusagen in freiwilliger Installationshaft in Bagdad.
    Nachtrag: Und so sah es schon ein paar Monate zuvor, draußen im wirklichen Irak aus. In Falludscha, das später als die Hauptstadt der Aufständischen im blutigen sunnitischen Dreieck bekannt werden sollte, begann sich bereits die Guerilla zu formieren. Wer Usamas Geschichte kennt, der wundert sich kaum, warum.
    Lebendig tot in Falludscha
    (Falludscha, den 1. Juli 2003)
    Captain John Ives sieht so aus, wie sich eine amerikanische Mutter ihren künftigen Schwiegersohn erträumt. Mit strahlenden blauen Augen und einem smarten Lächeln steht er im Gang des ehemaligen Hauptquartiers der Baath-Partei, in dem die US-Armee ihr Verwaltungszentrum für die westirakische Stadt Falludscha eingerichtet hat. Ives, Verbindungsoffizier zwischen den Besatzungstruppen und der irakischen Stadtverwaltung, erklärt, wer hier hinter den täglichen Attacken gegen seine Männer steckt: „Das sind einfach ignorante Menschen, die nicht verstehen, dass wir ihnen Gutes bringen wollen.“
    Die 250 000-Einwohner-Stadt hat sich in den vergangenen Wochen zu einem konstanten Ärgernis für die dort stationierten 13 000 amerikanischen Soldaten entwickelt. Ein halbes Dutzend Angriffe mit Kalaschnikows und Granaten zählen die Amerikaner durchschnittlich in der Woche. Neben Bagdad und dem benachbarten Ramadi zählt Falludscha damit zu den Hauptzielgebieten der militanten irakischen Operationen, denen seit dem 1. Mai über 40 US-Soldaten zum Opfer gefallen sind. Mehrere hundert Iraker wurden bei dem amerikanischen Versuch getötet, die Täter ausfindig zu machen.
    Er verstehe manche dieser Iraker nicht, sagt Captain Ives. „Da sind wir vor drei Monaten mit einem Panzer über einen privaten Pkw gerollt und der Besitzer regt sich heute immer noch darüber auf“, wundert er sich sogar. Ives hat für das Ganze auch einen schönen Ausdruck parat. Er nennt es „peacekeeping damage“, Schaden, der nun einmal entstehe, wenn die US-Armee Frieden schafft.
    Usama Saleh und seine Familie sind Opfer eines ganz anderen Falls von „friedenschaffendem Schaden“. Der 33-Jährige wohnt gegenüber der Al-Qaid-Mädchenschule, in der noch im April Soldaten der 82. US-Luftlandeeinheit stationiert waren. Langsam und mit leerem Blick erzählt er, wie der 28. April sein Leben verändert hat. Er wirkt wie ein vollkommen gebrochener Mann. Zunächst hörte der Taxifahrer an diesem Montag, wie sich eine Demonstration wütender Iraker der Schule näherte. Er verschloss Türen und Fenster. Dann hörte er die ersten Schüsse. Die Amerikaner behaupteten später, aus der Demonstration sei auf sie geschossen worden. Sie antworteten mit einem minutenlangen Sperrfeuer auf den Platz vor der Schule. Unzählige Einschusslöcher an den gegenüberliegenden Häusern zeugen noch von diesem blutigen Tag, an dem 15 Iraker erschossen und 75 verletzt wurden. An dem blauen Eingangstor zu Usamas Haus lassen sich allein sieben zählen.
    In Panik waren die Menschen damals zu Usamas Bruder Mussana ins Nachbarhaus gerannt. Als der die Tür öffnete, wurde ihm mehrfach ins Bein geschossen. Usama hörte die Kinder und die Frau seines Bruders schreien und stürzte zusammen mit seinem anderen Bruder Walid aus dem Haus. Walid wurde direkt neben ihm niedergeschossen. Usama holte das Taxi aus der Garage, um seine Brüder ins Krankenhaus zu fahren. Der Wagen wurde von 72 Schüssen durchsiebt, zwei davon streiften Usamas Kopf, einer traf sein Bein. Als er versuchte, aus dem Auto zu steigen und zurück ins Haus zu kommen, schossen die US-Soldaten aus der Schule weiter. Usama wurde von hinten getroffen, die Kugel blieb im Unterleib stecken. Innerhalb weniger Minuten war bei der Familie Saleh nichts mehr wie zuvor. Walid war tot, Mussanas Bein musste später amputiert werden, Usama war Invalide, seine Mutter hatte einen Schulterschuss und das Taxi, die wichtigste Einnahmequelle der Familie, war völlig zerstört.
    Am nächsten Tag durchsuchten die amerikanischen Soldaten Usamas Haus. Es habe der Verdacht bestanden, aus dem Haus sei auf sie geschossen worden, hieß es später. Aufmachen konnte niemand, die Familie war im Krankenhaus, die US-Soldaten mussten einbrechen. Als die Salehs nach Hause kamen, war alles auf den Kopf gestellt. Gefunden
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