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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Autoren: Karim El-Gawhary
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Hussein residiert dort nämlich neuerdings in einem der Palastbauten das Hauptquartier einer US-Einheit dieser Stadt.
    Der kleine, surreale Ausflug in die verfallene Saddam’sche Pracht hat sich dennoch gelohnt. Vorbei an vergoldeten Louis-XIV-Sesseln und durch Säle mit prächtigen und klotzigen Schreibtischen, abgedunkelt mit grünen Brokatvorhängen, den zerbombten Kuppelsaal links liegen lassend, steht man schließlich vor der geöffneten Tür zu jener Lokalität, zu der selbst ein Präsident alleine geht. Vergoldete Wasserhähne und eine runde Badewanne, von der allerdings schon jemand den vergoldeten Duschkopf entfernt hat, geben dem stillen Örtchen ein besonderes Flair. Die Verlockung war natürlich zu groß, um ihr zu widerstehen. Das Resümee: An einem präsidialen Ort erleichtert es sich auch nicht anders. „Have a nice day.“
    Nachtrag: Wer konnte damals erahnen, dass genau an diesem Ort die „Grüne Zone“ der Besatzungsverwaltung entstehen sollte, einer der bestbewachten Orte der Welt. Nur ein halbes Jahr später sah es dort bereits ganz anders aus. Dort wurde der Grundstein für die später weltweit größte US-Botschaft gelegt und das US-Militär schlug dort sein Hauptquartier auf. In der Zone ging es mitunter recht weltfremd zu. Die Phrasen des im nächsten Beitrag vorkommenden Besatzungsvermarkters Mike über „die letzten Verzweifelten, die es einfach nicht ertragen könnten, wie gut es jetzt im Irak laufe, und die daher den amerikanischen Erfolg angreifen“ sollten allerdings noch einige Jahre danach gedroschen werden.
    Die Insulaner von Bagdad
    (Bagdad, den 26. November 2003)
    Bagdad war schon immer eine Stadt der lang gezogenen hohen Mauern. Man fährt seit jeher ehrfürchtig an ihnen entlang und traut sich kaum zu ahnen, wie dahinter über das Schicksal des Landes und das der Vorbeifahrenden entschieden wird. Früher hatte sich Saddam Hussein hinter ihnen verborgen, heute hat sich Amerikas Besatzungsverwaltung dahinter verschanzt. Mit einem Unterschied: Für die neuen Herren des Landes waren Saddam Husseins Mauern nicht hoch genug. Sie haben rund um ihr Hauptquartier, den einstigen Republikpalast des Diktators, sicherheitshalber noch einen kilometerlangen zweiten Betonwall, einen so genannten Bomb Blaster gezogen, umgeben mit Stacheldraht und Schildern davor, mit der Aufschrift „Demonstrieren verboten“. Dann haben sie für den Komplex den wohlklingenden, fast schon umweltfreundlichen Namen „Grüne Zone“ geschaffen. Im US-Militärjargon läuft das Ganze als „sensible installation“.
    Natürlich gibt es auch weniger sensible Installationen; dort geben die Besatzungsverwalter gelegentlich Audienzen oder Pressekonferenzen. Das wichtigste dieser medienzugänglichen Gebäude, ebenfalls in der Grünen Zone gelegen, ist das Bagdader Kongresszentrum. Um nicht missverstanden zu werden: Auch diese Installation gleicht einer modernen Festung, umgeben von Betonmauern, Stacheldraht, Sandsäcken und Soldaten, die jeden Besucher dreimal nach den Personalien fragen und gründlich abtasten. An der Uniform des zweiten Abtastsoldaten baumelt ein phosphorisierendes Gummiskelett. „Das ist Jack“, stellt er sein Maskottchen vor. Der habe im Ramadan ein wenig zu viel gefastet, klärt er auf.
    Es sind immerhin 13 Jahre vergangen, seit Saddam Hussein, kurz bevor er seinen Truppen den Einmarsch in den Kuwait befahl, bei einem arabischen Gipfeltreffen in den gleichen Hallen wütend einen Tisch mitsamt Kaffeegeschirr umwarf und ankündigte, den Krieg in die Schlafzimmer der Prinzen am Golf zu tragen. Und ganze sieben Monate ist es her, als sich das so genannte irakische Parlament dort zur letzten Sitzung traf, um in einer bizarren Veranstaltung alle Arten von Massenvernichtungswaffen im Irak zu verbieten.
    Ein ausländischer Diplomat in Bagdad hat bereits gewarnt: Im „Palast“ und im Kongresszentrum residiere heute keine Gruppe erfahrener amerikanischer Berufsdiplomaten, sondern ein, wie er es nennt, „amerikanischer neokonservativer Kindergarten“. Es seien, wie er es beschreibt, junge, ehrgeizige Menschen, die das Pentagon aus den neokonservativen Think-Tanks der USA eingesammelt und für einen Einsatz im Irak eingestellt habe.
    Aber auf ihn ist man dann doch nicht gefasst. Nennen wir ihn einfach Mike, denn er informiert freimütig über amerikanische Erfolge im Irak, möchte aber nicht, dass sein Name in einer Zeitung genannt wird. Mike ist einer der Mitarbeiter der CPA, der Coalition
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