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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María
Autoren: Martin Suter
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paar vergilbte Etiketten und handschriftliche Nummern. Am besten gefiel Allmen das Stück neue Leinwand, mit dem die Stelle der verwelkten weißen Dahlie hinterklebt war.
    »Chapeau!«, sagte Allmen.
    Sie hatten Herrn Arnold eine Stunde früher bestellt, damit genug Zeit blieb, um ihn vorzubereiten. Carlos fing ihn am Eingangstor ab und begleitete ihn zum Gärtnerhäuschen. Auf dem Weg dorthin erklärte er ihm, was ihn erwartete. So begegnete er den Beamten gefasst und mit der gewohnten Würde.
    Die Gefreite Wertlinger übergab ihm einen kleinen Sender, den er im Kofferraum hinter den [199]  Reservereifen stecken solle, damit sie den Wagen im Notfall verfolgen könnten. Danach besprachen sie den Weg zum Treffpunkt.
    Diesmal befand er sich nicht im Wald, sondern in einem Gewerbegebiet am Rande eines Dorfes. Gobler wollte ein paar Leute auf dem Weg dorthin positionieren für den Fall, dass die Entführer kurzfristig ihre Pläne änderten.
    Kurz nach neun fuhren sie los. Wegen des GPS saßen sie wieder in Herrn Arnolds profanem Mercedes-Taxi. Für lange Zeit zum letzten Mal, hoffte Allmen. Er trug eine gut eingetragene, frischgewachste Barbour-Jacke über einem braunen Kordanzug und eine Schiebermütze aus Tweed, was ihm etwas Reitlehrerhaftes verlieh. Carlos eine Baseballjacke mit dem NY der New York Yankees und einer großen Nummer drei. Allmen hatte sie noch nie gesehen und vermutete, dass es sich um seinen Kampfanzug handelte. Er wagte nicht zu fragen, ob er seinen Revolver dabeihabe.
    Der neue Treffpunkt lag in genau der entgegengesetzten Richtung vom letzten. Das lauteste Geräusch im Wageninnern war das kurze Stottern eines der Scheibenwischergummis, bei jedem zweiten Mal, wenn er sich zurückbewegte. Ein Problem, das Herr Arnold zu seinem eigenen Ärger auch bei seinem Cadillac nicht zu lösen vermochte.
    [200]  Der starke Wachsgeruch von Allmens Jacke übertönte den Geruch des Dufttännchens am Rückspiegel, den Allmen so verabscheute.
    Sie erreichten die hässlichen Außenquartiere der Stadt mit ihren graugelben Wohnblöcken, Unterführungen, Bahndämmen, Industriebauten und lieblosen Bürohäusern. Der Regen wurde stärker, und die Scheibenwischer glitten nun ohne zu stottern über den dicken Wasserfilm der Windschutzscheibe.
    Aus dem Augenwinkel sah Allmen, dass Carlos die Hände gefaltet hatte und seine Lippen sich bewegten. Herrn Arnold entfuhr ein Seufzer, den er sofort mit einer Bemerkung über das Sauwetter kaschierte. Auch Allmen war bange.
    Eine Ortstafel kündigte an, dass sie nun die Stadt verließen. Herr Arnold folgte dem grünen Schild zu einer Autobahneinfahrt. Die meisten anderen Autos fuhren langsamer als die erlaubten hundert Stundenkilometer und zogen sprühende Schleppen aus Regenwasser hinter sich her. Bereits bei der nächsten Ausfahrt blinkte Herr Arnold rechts und fuhr von der Autobahn herunter.
    Die Ausfahrt verengte sich rasch zu einer zweispurigen Überlandstraße, und bald befanden sie sich im Niemandsland zwischen Stadt und Land.
    Das GPS führte sie von der Hauptstraße weg in ein Gewerbegebiet. Sie durchquerten eine [201]  unordentliche Ansammlung in die Jahre gekommener Industriebauten, scheunenähnlicher Lagerschuppen und bunter Fertighallen. Beim letzten Gebäude war das Ziel erreicht.
    Herr Arnold stellte den Motor ab. Sie befanden sich auf dem Vorplatz eines Backsteingebäudes, das aussah wie ein ausgedientes Feuerwehrdepot. Es standen ein paar Baumaschinen auf dem schadhaften Asphalt und zwei alte Lieferwagen ohne Nummernschilder. Auf beiden war der verwitterte Schriftzug eines Malergeschäfts zu erkennen. »Erwin Koblar, Maler und Tapezierer, Um- und Neubauten«. Zwei Betonkandelaber mit klobigen Leuchten flankierten das Gebäude. Einer war von Betonfraß befallen. An mehreren Stellen kamen die Armierungseisen zum Vorschein.
    Sie waren gut zehn Minuten zu früh. Der Regen hatte etwas nachgelassen, und alle drei stiegen aus. Um sich die Beine zu vertreten, aber vor allem, um zu zeigen, dass sie allein waren. Denn beim letzten Mal hatten die Entführer sie ja beobachtet. Gut möglich, dass sie es wieder taten.
    Je länger sie vor dem Depot herumlungerten, desto mehr fühlte sich Allmen beobachtet. Er spürte förmlich die Blicke, die von irgendeinem Versteck aus auf ihn gerichtet waren.
    Zum zweiten Mal prüfte er sein Handy, ob es [202]  nicht versehentlich auf stumm geschaltet war oder außerhalb der Reichweite des Providers. Denn inzwischen war zehn Uhr vorbei.
    Als
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