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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María
Autoren: Martin Suter
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endlich das durchdringende Imitat eines uralten amerikanischen Telefons schrillte, das er als Klingelton gewählt hatte, zuckten die drei Männer zusammen. Allmen räusperte sich nervös, bevor er sich meldete.
    »Pronto.«
    »Non riattaccare«, befahl die Stimme, nicht auflegen. »Ich führe dich. Steigt ins Auto.«
    Allmen gehorchte. Sein Gefühl, beobachtet zu werden, hatte ihn also nicht getrogen. Dario musste gesehen haben, dass sie nicht im Auto saßen.
    Die Stimme befahl ihm loszufahren. »Geradeaus«, übersetzte Allmen für Herrn Arnold.
    Carlos begriff, dass es diesmal keine Koordinaten gab, und wählte die Nummer des Detektivwachtmeisters. Er hörte, wie der sich meldete, und sagte nichts, hielt nur das Telefon möglichst in Allmens Nähe.
    Anfangs fragte Gobler »Hallo?«, dann wurde er still. Er hatte begriffen, dass Allmen telefonische Anweisungen an den Fahrer weitergab. Wahrscheinlich verfolgten sie das Taxi jetzt mit Hilfe des Senders, den Herr Arnold hinter dem Reservereifen im Kofferraum versteckt hatte.
    [203]  Eine ganze Weile fuhren sie auf einer schmalen Teerstraße geradeaus. Bald waren sie nur noch von Landwirtschaft umgeben: Schuppen, Scheunen, Schweinezuchten, Rinderweiden säumten den Weg. Dann eine Sägerei, danach Holzstöße und Langholzlager bis zum Waldrand.
    Darios Befehle führten sie im Zickzack durch den Wald, eine weitere Vorsichtsmaßnahme der Entführer. Zweimal bemerkte Herr Arnold: »Hier waren wir schon einmal.«
    Bei einer Baumschule befahl der Entführer: »Aspettate!«
    »Hier warten«, wies Allmen Herrn Arnold an.
    Er stellte den Motor ab. Der Regen hatte wieder zugenommen und trommelte bedrohlich auf das Autodach. Sie starrten schweigend auf die Baumschule und die kleine Schonung mit Jungtannen, in die ein zweiter Holzweg mündete. Von dort würden vermutlich die Entführer kommen.
    »Don John«, sagte Carlos.
    »Diga.«
    » Una sugerencia, nada más. Vielleicht sollte Herr Arnold den Wagen wenden. Falls wir schnell wegfahren müssen.«
    Allmen übersetzte für Arnold, und dieser wendete umständlich den großen Wagen auf dem schmalen Sträßchen.
    [204]  Die Scheiben beschlugen und nahmen ihnen die Sicht. Allmen und Carlos stiegen aus. Die Luft war kalt, ihr Atem verwandelte sich in kurzlebige Dampfwölkchen. Sie hörten das Rauschen des Regens in den Wipfeln.
    Und plötzlich von ganz weit her einen Motor.
    »Demasiado rápido«, raunte Carlos. Allmen wusste, warum ihm das zu schnell ging: Er befürchtete, die Polizei habe nicht genug Zeit, um den Zugriff vorzubereiten. Aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie endlich wussten, aus welcher Richtung das Motorengeräusch kam.
    Aus dem Seitenweg näherte sich ein weißer Kastenwagen. »Erwin Koblar, Maler und Tapezierer, Um- und Neubauten«.
    Er tat das Gleiche wie sie: Bog nach links ab, so dass er ihnen das Heck zuwandte, fuhr ein Stück rückwärts und bog wieder in den Weg ein, aus dem er gekommen war. So blieb er mit laufendem Motor startbereit stehen.
    Der Fahrer stieg aus. Es war der hübsche Italiener vom letzten Mal, Dario. Er hatte eine Waffe in der Hand, die er nachlässig auf sie gerichtet hielt, und näherte sich bis auf zehn Meter.
    »Fuori dalla macchina!«, befahl er.
    Allmen öffnete die Fahrertür und bat den bleichen und stummen Herrn Arnold auszusteigen.
    [205]  Arnold und Carlos mussten sich beide mit ausgestreckten Armen gegen den Wagen stützen. Dario wollte nur mit Allmen zu tun haben.
    »Il dipinto!«, rief er ihm jetzt zu.
    »La donna!«, antwortete Allmen.
    »Du zuerst!«, tönte es zurück.
    »Insieme!«, forderte Allmen. Beide gleichzeitig. Er öffnete den Kofferraum und hob das Bild heraus. Sofort begann der Regen das Packpapier mit braunen Flecken zu sprenkeln.
    Er wandte sich dem Mann mit der Pistole zu und stellte sich breitbeinig und unverrückbar vor ihn hin.
    Dario ging zurück zum Kastenwagen, ohne die drei Männer aus den Augen zu lassen. Er verschwand dahinter, und sie hörten das Geräusch einer Schiebetür. Dann kam er wieder zum Vorschein und ging zurück an die Stelle, wo er vorhin gestanden hatte. »Due!«, rief er.
    Hinter dem Wagen traten zwei Gestalten hervor. María in einer langen Pelerine. Ihr Mund war mit breitem Abdeckband zugeklebt, wie es die Maler benutzen, und sie trug eine schwarze Augenbinde. Ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt, und auch an den Füßen trug sie Fesseln, die ihr nur kleine Schritte erlaubten.
    Hinter ihr stieß und schubste sie der
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