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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr
Autoren: Lisa Bjaerbo
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menschlich, aber das sage ich nicht, denn obwohl er mich mit seinen seriösen Vorschlägen ganz nervös macht, bin ich zugleich auch ziemlich dankbar, dass sich in dieser Situation jemand um mich kümmert. Das Dokument mit der stichwortartigen To-do-Liste hat so was Konkretes, Durchdachtes. Es erschüttert mich etwas, dass ich darauf anspringe, aber das tue ich.
    »Deal«, sage ich und strecke Papa meine Hand entgegen. Der Handschlag passt zu unserer Geschäftsvereinbarung. »Nächstes Brainstorming in einer Woche.«
    * * *
    Am Tag darauf ruft Isak an und lädt mich zum Abendessen ein. Eine halbe Sekunde arbeitet sich ein glucksendes Lachen in mir hoch, bevor mir aufgeht, dass er das ernst meint. Er lädt mich zu sich zum Abendessen ein!
    »Wann?«, frage ich. »Jetzt gleich?«
    »Zum Beispiel.«
    Ich brauche etwas mehr als eine Stunde, um mich fertig zu machen, die Wohnung hinter dem Klinikgelände zu finden, die Treppe hochzulaufen und an der Tür zu klingeln. Während ich warte, dass er öffnet, schießt mir durch den Kopf, dass ich vielleicht was hätte mitbringen sollen. Eine Blume oder Schokolade. Erwarten Erwachsene das nicht, wenn sie einen zum Essen einladen? Als die Tür aufgeht, ist all das schlagartig vergessen.
    Isak sieht ein bisschen irre aus mit den wirren Haaren und dem schmutzigen Geschirrtuch in der Hand. Es riecht angebrannt aus der Wohnung. Er begrüßt mich nicht, weder mit Worten noch mit einer Umarmung.
    »Ich bin gerade etwas gestresst«, sagt er gestresst. »Ich dachte mir, mach ich doch mal Lasagne, aber irgendwie … Ich weiß auch nicht, was passiert ist. Jedenfalls liegt ein Teil der Lasagne jetzt verkohlt am Boden des Ofens und der Rest sieht nicht sehr appetitlich aus. Komm mit!«
    Er greift nach meiner Hand und zieht mich hinter sich her in die Kochnische, wo sich benutzte Küchenutensilien, verschmierte Schneidebretter und Zwiebelringe stapeln.
    »Guck dir das an«, sagt er mit einem faszinierten Blick in den Ofen. »Das Zeug führt ein Eigenleben!«
    Ich schaue durch die schmutzige Ofenklappe. Das, was da drinnen blubbert, sieht wirklich nicht sehr vielversprechend aus. Die unförmige Hackfleischkäsesoßenmasse quillt wie Hefeteig über den Rand der Auflaufform und landet mit einem Zischen auf dem Boden, wo sie zu Kohlebröckchen mutiert.
    »Oh«, sage ich. »Sieht deine Lasagne immer so aus?«
    Isak breitet die Arme aus.
    »Ich hab noch nie Lasagne gemacht«, sagt er. »Das ist mein erster Versuch!«
    Er schaut mutlos in den Ofen.
    »Du Armer«, sage ich. »Wolltest du mich beeindrucken?«
    »Schon möglich«, sagt er.
    »Und hast du das Gefühl, dass es funktioniert?«
    Er dreht sich um und mustert mich. »Sonderlich beeindruckt siehst du nicht aus, muss ich sagen.«
    Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen und strecke die Arme nach ihm aus. Seufzend legt er sein Gesicht an meinen Hals.
    »Und begrüßt habe ich dich auch noch gar nicht«, stellt er fest.
    »Hm.«
    »Oder dir die Jacke abgenommen, die Wohnung gezeigt und dich gefragt, wie es dir geht.«
    »Stimmt.«
    »Können wir noch mal zurück auf Start?«
    »Nein«, sage ich. »Zu spät. Mein erster Eindruck steht unverrückbar fest.«
    »Shit.«
    Ich lächele in sein Haar. »Aber das ist okay«, sage ich, und das ist wirklich wahr. Ich liebe seine pampige Lasagne, die sich gerade in seinem Ofen in Kohle verwandelt. Irgendwie macht mich das ganz ruhig. Hätte er mich mit gebügeltem Hemd an der Tür empfangen, meine Jacke auf einen Bügel gehängt und einen feierlichen Rundgang durch die Wohnung gemacht, ehe er mir auf feinem Porzellan ein perfektes Abendessen serviert, wäre ich tot umgefallen. Wie hätte ich mich da wohl gefühlt? Worüber hätten wir reden sollen? Übers Wetter und die neusten Aktienkurse?
    Das hier ist viel stimmiger.
    »Ich mag eh keine Lasagne«, sage ich tröstend. »Wie wär’s, wenn wir uns eine Pizza bestellen?«
    * * *
    Auf dem Nachhauseweg wecke ich Fanny mit meinem Anruf und erzähle ihr von den Käseklumpen auf dem Ofenboden. Als ich fertig bin, sagt sie haargenau das, was ich erwartet habe.
    »Und jetzt? Seid ihr zusammen?«
    Wie soll ich die Frage bitte schön beantworten?
    »Wie weiß man so was?«, frage ich.
    »Das weiß man einfach«, sagt sie.
    »Echt?«
    »Oder man fragt halt.«
    »Fragen?«
    Fanny seufzt entnervt.
    »Ja«, sagt sie. »Herrgott, Alicia, du tust so, als hättest du das noch nie gemacht.«
    »Hab ich ja auch noch nie«, sage ich.
    »Trotzdem. Reiß dich zusammen.«
    *
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