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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr
Autoren: Lisa Bjaerbo
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unterschätzen, wenn ich zulasse, dass er mir beim Ausfüllen behilflich ist. Andererseits sollte ich auch die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass er tatsächlich etwas beizutragen hat.
    »Vielleicht«, sage ich. »Aber nur, wenn du versprichst, dir auch anzuhören, was ich will.«
    Papa nickt.
    »Und nicht versuchst, mir deine gut gemeinten Ratschläge und Ambitionen überzustülpen.«
    »Ich werde versuchen, das nicht zu tun.«
    »Und kein Gezeter und Gebrüll?«
    »Kein Gezeter und Gebrüll.«
    Ich seufze.
    »Okay, lass es uns versuchen.«
    * * *
    So was in der Art?
    Ja, vielleicht, mein Mädchen. Vielleicht.
    * * *
    Man merkt, dass Papa ungefähr tausend Jahre studiert hat und Chef war und an Konferenzen und anderen seriösen Unternehmungen teilgenommen hat, weil seine Augen anfangen zu funkeln, als er mit dem Strukturieren und Listen schreiben und Planen und dem ganzen Mist loslegt. Kaum zu glauben, dass wir verwandt sind.
    »Betrachten wir das Ganze als kreativen Workshop«, sagt er gut gelaunt.
    Ich habe keine Ahnung, wovon er redet.
    »Warte, ich hole meine Post-it-Zettel.«
    »Post-it-Zettel?«
    »Post-it-Zettel. Die braucht man für so was.«
    »Whatever.«
    Papa stapft in sein Arbeitszimmer und kommt mit zwei Klebezettelblöcken zurück, einem gelben und einem grünen. Die legt er zwischen uns aufs Bett und nimmt einen Stift.
    »So«, sagt er. »Jetzt kann’s losgehen!«
    Zwei Stunden später haben wir mehr Punkte gesammelt, als ich jemals für möglich gehalten hätte. Die Post-it-Zettel kleben an den Wänden, mein Dokument ist voller Notizen, und ich habe im Netz ungefähr hundertsechs Persönlichkeitstests und Berufstests und so weiter gemacht, um herauszuarbeiten, wie ich mir meine Zukunft so vorstelle. Wundersamerweise haben die meisten Tests ungefähr das Gleiche ergeben: dass ich entweder im journalistischen Bereich oder in der Werbebranche tätig werden will, wenn ich groß bin. Da kann man mal sehen! Wenn ich genauer darüber nachdenke, was mir Spaß macht und liegt, ist das eigentlich ganz logisch. Aber trotzdem, wer hätte das gedacht? Ich weiß nicht, wie man alleine auf so was kommen soll.
    »Okay«, sagt Papa und schaut vom Bildschirm auf. »Ich hab mal geguckt, welche Ausbildungen es gibt, die für dich aktuell in Frage kämen.«
    »Und?«
    »Ich warne dich schon mal vor, dass dir wahrscheinlich nicht gefallen wird, was ich jetzt sage: Alle Ausbildungen setzen das Abitur voraus.«
    Ich stöhne.
    »Warum das denn?«
    Papa tippt weiter auf dem Laptop herum, ohne zu antworten.
    »Wozu überhaupt Ausbildungen? Warum kann man nicht direkt anfangen zu arbeiten?«
    »Es gibt einige wenige Berufe, in die man direkt einsteigen kann«, sagt Papa. »Doch generell würde ich sagen, dass man mit einer guten Ausbildung auf alle Fälle bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat.«
    Er klingt wie eine von Saras bunten Info-Broschüren.
    »Aber«, sage ich hoffnungsvoll, »vielleicht gehöre ich ja nicht zu den Generellen? Vielleicht bin ich ja der Typ, der auch so einen ordentlichen Job bekommt?«
    Papa lächelt.
    »Vielleicht«, sagt er. »Aber es schadet nichts, wenn du dir das mit der Schule grundsätzlich noch mal durch den Kopf gehen lässt.«
    Ich seufze aus tiefster Seele. Es fängt unter meiner Haut an zu kribbeln, als er das sagt. Die Vorstellung, wieder zurück in die Schule zu gehen, in die alte Klasse mit den alten Mitschülern … Der Gedanke verursacht mir Übelkeit.
    »Du musst ja nicht in deine alte Klasse zurück, wenn du nicht willst«, sagt Papa, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Es gibt andere Zweige und andere Schulen. Wie wär’s zum Beispiel mit Media?«
    Ich sehe ihn skeptisch an.
    »Media? Da kann man doch nicht hingehen!«
    »Warum nicht?«
    »Weil da nur Loser sind.«
    »Und Soziologie?«
    Ich schnaufe.
    »Oder was auch immer«, schiebt Papa hinterher. »Irgendetwas muss dich doch interessieren?«
    Er sieht mich an.
    »Versprich mir wenigstens, darüber nachzudenken! Und verschaff dir einen Überblick über die Alternativen, ehe du dich weigerst.«
    Ich hole tief Luft.
    »Okay«, sage ich widerstrebend. »Aber dann musst du auch akzeptieren, wenn ich keine Alternativen finde.«
    Papa nickt nachdenklich.
    »Das klingt fair«, sagt er. »Wir gehen jetzt noch mal in uns, jeder für sich, suchen nach verschiedenen Alternativen und setzen uns in einer Woche wieder zusammen mit unseren Ergebnissen. Was hältst du davon?«
    Ich finde ihn erschreckend systematisch und wenig
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