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Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Alles, was er wollte: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
Autoren: Anita Shreve
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Licht eingeschlafen, dann könnte ich leise zur ihr ins Zimmer gehen und es ausmachen – ganz der fürsorgliche Ehemann. Ich würde sie ja nicht wecken; ich würde sie nur kurz betrachten, während sie schlief. Vielleicht würde ich mich an den Schreibtisch in ihrem Zimmer setzen und selbst einen Brief schreiben – eine ganz neue Idee! –, versuchen, ihr die Ereignisse der vergangenen Monate zu erklären. Ich würde sie von meiner Liebe überzeugen. Ich würde sie um Verzeihung bitten.
    Je länger ich diese absurden Gedankengänge verfolgte (oder, genauer gesagt, je mehr der Alkohol meine Organe durchtränkte), desto dringender wurde die Vorstellung, ich müsse augenblicklich zu Etna hinaufgehen. Ich mußte sie davon überzeugen, daß unsere kleine Familie wieder heil werden würde. Ich mußte ihr klarmachen, daß man den Zwischenfall vergessen konnte. Ich würde zu ihr gehen und sie in meine Arme schließen. Ich würde sie weinen lassen und sie trösten wie ein Kind, indem ich ihr versicherte, daß alles wieder gut würde. Und morgen früh würden wir Clara wecken und unserer Tochter aus dem emotionalen und moralischen Chaos heraushelfen, in das ich sie gestürzt hatte. Wir würden wegfahren, in die Berge, wo es kühl war, und die traurigen Erinnerungen, die wir mit dieser Landschaft verbanden, austreiben. Und wenn wir nach Hause kämen, würde es Herbst sein, und wir konnten alle unser Leben so wiederaufnehmen, wie es vor dem letzten Winter gewesen war. Wir seien krank gewesen, wollte ich meiner Frau erklären, aber nun würden wir wieder gesunden, an Leib und Seele, und uns von neuem dem täglichen Leben zuwenden.
    Ach, du Tor! Du Tor!
    Manchmal glaube ich, daß der Zwischenfall, von dem ich gleich erzählen werde, gar nicht geschehen ist; daß ich vielmehr Etnas Tür verschlossen fand und sie sich weigerte, mir zu öffnen; daß alles nur ein Traum war, von dieser Fiebernacht erzeugt.
    In diesem Traum gehe ich ohne Heimlichkeit die Treppe hinauf und kündige mit festem Schritt meine Absicht an. Ich gehe durch den Flur zum Gästezimmer und bleibe draußen stehen. Ich erwäge zu klopfen, sage mir aber, daß dies Etna die Last der Entscheidung aufbürden würde: ob sie öffnen soll oder nicht, mich einlassen soll oder nicht. Nach kurzer Überlegung drehe ich selbst den Knauf.
    Meine Frau sitzt auf dem Bettrand. Mit einem Ruck hebt sie bei meinem Eintreten den Kopf. Ihr Gesicht ist tränenverschmiert, ihre Bluse steht ein Stück offen. Ich werfe einen Blick zum Schreibtisch und sehe, wie ich befürchtet hatte, einen Brief darauf liegen. Lavendelblaue Tinte auf einem lavendelblauen Kuvert. Ein Name, aber keine Adresse. Adresse unbekannt. Im Schützengraben vielleicht. Wo ein ganz anderes Konzert gegeben wird.
    Etnas Gesicht ist kalt und hart. Ihr Haar fällt ihr in einem häßlichen geknoteten Strick den Rücken hinab. Wieder gleitet mein Blick über die halboffene Bluse, den Brief auf dem Schreibtisch, die Vorhänge, die reglos in der Nachtluft hängen.
    »Du bist ein Ungeheuer«, sagt Etna ruhig, als ich mich dem Bett nähere.
    Ich gehe direkt zu ihr, und ehe sie zurückweichen kann, ziehe ich ihr Gesicht in die nicht unbeträchtlichen Massen meines Bauchs. Sie versucht, den Kopf zu drehen, aber es gelingt ihr nicht.
    »Ich bin kein Ungeheuer«, sage ich.
    Ich drücke sie rückwärts aufs Bett. »Ich bin dein Mann«, sage ich.
    »Ich bin nicht deine Frau«, sagt Etna.
    Ich halte ihr den Mund zu. Sie reißt weit die Augen auf. »Sprich nicht«, sage ich.
    In diesem Traum oder Wahn (der, wie gesagt, Wirklichkeit sein kann oder auch nicht) ziehe ich die Hand von ihren Lippen und küsse sie. Etna wird still, ja, gefügig, als fürchtete sie, die Kinder könnten erwachen und ins Zimmer gelaufen kommen, um zu sehen, warum ihre Mutter schreit. Zart und behutsam rolle ich einen Strumpf über ihr Knie abwärts und fühle das flaumige Haar auf ihrem Schienbein. Ich schiebe ihren Rock hinauf und finde die Öffnung in ihrem Hemdhöschen. Sie trägt an diesem heißen Tag kein Korsett, ein Glück für meine forschenden Finger. Ich öffne die restlichen Knöpfe ihrer Bluse. Ich berühre den Körper meiner Frau an jeder Stelle, wie es das natürliche und gottgegebene Recht eines Ehemanns ist. Nach einer Weile drehe ich Etna so, daß sie rücklings auf meinem Bauch liegt und wir beide zur Zimmerdecke blicken. Wenn sie so liegt, ist es, als wäre sie ein Teil von mir, als wären wir ein Fleisch. Wenn sie so liegt, kann ich ihr
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