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Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur

Titel: Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur
Autoren: Robert Misik
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lautet gewissermaßen: Erst gewinnt die Firma den »Bewusstseins anteil « und dann den »Marktanteil«. Dies funktioniert am besten, wenn jene Begriffe, die die Essenz der Marke beschreiben, auch
     noch bildlich repräsentiert werden. In einem visuellen Zeitalter muss der Konsument ein Bild von einer Marke gleichsam vor
     seinem inneren Auge haben, ein Bild, das gewissermaßen »für sich selbst« spricht. Gebraucht wird eine regelrechte »Rhetorik
     des Bildes«, eine sprachliche Botschaft von der Art einer unsichtbaren »Sprechblase«, wie das Roland Barthes erklärte. Er
     vertrat deshalb auch die Meinung, dass »es nicht sehr richtig ist, von einer Kultur des Bildes zu sprechen« 19 ; schließlich sind die Bilder auch eine Art von Text. Eine Marke ist nur dann erfolgreich, wenn das Markenimage, die »Rhetorik
     der Marke«, das Produkt selbst und die »Kultur« des Unternehmens übereinstimmen. Da muss alles zusammenpassen, etwa die »Markenpersönlichkeit«
     des Produkts mit dem Image realer Personen, die für dieses werben. Ein ulkiger Entertainer wie Thomas Gottschalk passt ideal
     zu Gummibären, wohingegen er für eine distinguiertere Marke, etwa Mercedes oder Joop!, wohl eine glatte Fehlbesetzung wäre
     (ganz zu schweigen von Whisky oder Haarwuchsmittel).
    Ein Unternehmen, das seine Marke mit dem kulturellen Image von Freiheit und Ungezwungenheit im Umgang |24| auflädt, wird deshalb auch Schwierigkeiten bekommen, wenn in seinem Inneren eine autoritäre Kultur herrscht und es im Umgang
     mit Kunden schroffe Muffigkeit pflegt. Deshalb beschäftigen Unternehmen auch sogenannte »Marken-Evangelisten«, die die Botschaft
     der Unternehmenskultur in die Firma hinein predigen – oder, wie man heute besser sagt, kommunizieren. Die Mitarbeiter solcher
     Firmen sind angehalten, auch im Inneren einen ungezwungenen Umgang zu pflegen und ihre Vorstandsvorsitzenden zu duzen. Wenn
     sie morgens den Posteingang ihres E-Mail-Accounts öffnen, dann finden sie meist unzählige Botschaften folgender Art: »Wir«
     haben das ungemeine Glück, Frau Soundso als dritte stellvertretende Key Account Managerin gewonnen zu haben, daher können
     »wir« jetzt mit noch mehr Schwung und Engagement als ohnehin bereits vorhanden die gemeinsamen Anstrengungen zur weiteren
     Verbesserung der Präsenz der Marke in diesem oder jenem umkämpften Markt noch intensivieren und so weiter und so fort.
    So erhielten im vergangenen Herbst alle Mitarbeiter eines Medienmultis ein Schreiben vom Vorstandschef, das hier auszugsweise
     wiedergegeben werden soll:
     
    Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
    die Medienwelt befindet sich im Wandel, und auch … muss sich verändern …
    Aus diesem Grund haben wir in diesem Jahr unser Programm »Expand your Brand« gestartet. … Vision und Mission wurde im Vorstand
     und dann in Diskussionsrunden mit Führungskräften … beraten. … Diese Mission haben wir auf ein verkürztes Statement gebracht:
     Life Enriching Media. …
    Die neu formulierte Vision und Mission zeigt, dass … sich weiterentwickelt. Sie soll uns inspirieren und nach |25| außen signalisieren, dass wir uns verändern. Wir werden uns bewegen, wir werden die Herausforderungen annehmen. … Denn bei
     … arbeiten kreative Menschen, die das, was sie tun, lieben, und die für Veränderungen bereit sind.
    Mit freundlichen Grüßen
    …
     
    Die Brandingapostel sind oft ideologisch derart verbohrt, dass ihnen nicht einmal mehr auffällt, wie komisch sie sind. Dass
     der Begriff »Life Enriching Media« normale Menschen sofort an Urananreicherung denken lässt – und somit keineswegs erfreuliche
     Assoziationsketten auslöst –, kommt daher auch dem Spitzenmanager nicht einmal in den Sinn. Dabei ist, was sich die Medienmacher
     überlegt haben, gar nicht so dumm: Sie haben sich mit dem simplen und leicht einsehbaren Sachverhalt beschäftigt, dass sich
     Nachrichten- und Infotainment-Magazine verändern müssen, wenn immer mehr Menschen die wesentlichen Informationen aus den Online-Medien
     beziehen. Dann muss die normale News-Story, die bis heute in den gedruckten Magazinen ihren fixen Platz hat, aus diesen nach
     und nach verschwinden und durch Geschichten ersetzt werden, die über einen – erzählerischen, literarischen, essayistischen,
     reporterischen, analytischen oder unterhaltenden – Mehrwert verfügen. Nur dann werden Menschen, die die einfachen Fakten schon
     kennen, weiter zu den Magazinen greifen. Doch gewohnt, sich nur mehr im
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