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Alles paletti

Titel: Alles paletti
Autoren: Assaf Gavron
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Mordechai sitzt dort und starrt konzentriert auf den Computerbildschirm. »Doktor Mordechai, willst du was essen? Pozailov hat gute Bagels.« Mordechai hebt nur kurz den Kopf vom Bildschirm, um zu verneinen. Popeye lässt sich vor seinem Monitor nieder und versucht sich zu erinnern, wo er stehengeblieben war.

CHAIM GALIL
    Es gibt nicht wenige Leute, die von sich behaupten, der Mover Nr. 1 in New York zu sein. Einer hat seinen selbstverliehenen Titel sogar auf einer Brücke in Queens verewigt, doch niemand hält etwas von ihm, denn ein ernsthafter Mover hätte sich niemals so weit herabgewürdigt. Es gab nie einen offiziellen Wettbewerb, aber einige sind Legende im Umzugsgeschäft, zumindest in ihren eigenen Augen.
    Chaim Galil ist so einer. Er ist seit zehn Jahren in New York, kam gleich nach der Armee aus Netania dorthin. Er will nicht mehr nach Israel zurückkehren, sagt allerdings nicht, warum. Er ist ein erbitterter Gegner der Rückgabe der Golanhöhen und sagt häufig: »Von mir aus sollen sie Jerusalem zurückgeben, aber nicht den Golan. Wenn sie den Golan zurückgeben,
setze ich nie wieder einen Fuß auf israelischen Boden.« Er hat solche Momente, der gute Chaim.
    Im Allgemeinen schweigt er. Er ist mager, aber sehr kräftig, mit kurzem Haar, das an den Schläfen ergraut. Wenn seine Arbeiter ihn etwas fragen, was mit der Arbeit zusammenhängt, sagt er immer: »Das ist ganz einfach. Man macht, was gemacht werden muss. Das ist keine große Affäre.« Er drückt sich ungern ausführlicher oder besonders deutlich aus. Auch von seinem Werdegang im Umzugsgeschäft erzählt er nicht viel, aber aus Geschichten und Informationssplittern kann man sich zusammenreimen, dass er Vormann bei Flat Rate war, nicht wenig bei Schleppers gearbeitet hat und, wie praktisch alle in der Speditionsbranche, ein paar Monate bei Moishe’s in seiner Arbeitschronik zu verzeichnen hat.
    Bei Flat Rate lernte er Michel Argamani und Ronan Brown kennen, mit denen zusammen er vor drei Jahren Sababa Moving and Storag’e gründete. Argamani - einer der verhasstesten Menschen bei den Sababa-Arbeitern - kehrte nach einem Jahr zu Flat Rate als Dispatcher zurück und wechselte danach zu Shiny Happy Movers. Er hat Ähnlichkeit mit einem verbrannten Streichholz: spindeldürr, mit Brille und borstigem schwarzem Haar, und seine Haltung hat etwas leicht Verbogenes. Ronan Brown ging zu einer Kargofirma. Chaim blieb allein mit Sababa Moving zurück, einer kleinen Firma, die abgraste, was die anderen Unternehmen übrig ließen. Er erwog, den Namen in »Chaim Moving« zu ändern (Galil war schon vergeben), gab die Idee aber wieder auf, weil es den Amerikanern schwerfällt, das auszusprechen, hauptsächlich jedoch weil er kein Geld hatte, den Lastwagen neu spritzen und beschriften zu lassen.

    Ein alter jüdischer Kunde, für den Chaim einmal einen Umzug von Upstate New York nach Florida erledigte, sagte zu ihm: »Sag mal, wie kommt es, dass die Juden, nach dreitausend Jahren Leiden, Lastträger geworden sind?«
    Schleppers ist die älteste israelische Umzugsfirma in New York. Moishe’s ist die größte. Beide haben Ende der Siebzigerjahre angefangen. Jetzt macht Moishe’s ungefähr fünfzehntausend Umzüge im Jahr. Sie haben an die sechzig Lkws, die täglich im Einsatz sind, zwei gewaltige Lagergebäude, Hunderte von Arbeitern, vielleicht dreihundert oder mehr. Dann gibt es die Firmen wie Schleppers, Flat Rate, Ben Hur, Alpha. Zwanzig, dreißig Lastwagen, ein bisschen darunter vielleicht. Achtzig Arbeiter oder mehr. Danach kommen die kleineren. Fünf bis zehn Lastwagen, fünfundzwanzig bis dreißig Arbeiter. Bescheidene Unternehmen, die ordentlich arbeiten, wie Avi’s, Jerusalem, Nice. Es gibt noch eine ganze Menge. Etwa fünfzig israelische Umzugsfirmen allein in New York, gar nicht zu reden von Miami (Cohen’s führt dort), Chicago (Samson), Los Angeles (Avi’s). Und es gibt - Sababa Moving and Storag’e. Ein Lastwagen, sechs Arbeiter, plus minus.
    Die großen Firmen haben ein weitläufiges Marketingsystem: respektable Büros in Downtown, kostenlose Rufnummern, Telefonistinnen, großflächige Anzeigen in den Gelben Seiten und Lokalzeitungen, manchmal auch Werbeschilder. Die kleinen Betriebe haben Flyer, die in der Stadt verteilt werden. Zu Sababa Moving and Storag’e gelangen die Aufträge über Chaims Kontakte. Ronan Brown übermittelt ihm Jobs hinter dem Rücken seiner Schifffrachtgesellschaft. Michel Argamani leitet in Stresszeiten Aufträge von
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