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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens
Autoren: Beate Doelling
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Donnerstag schon klar. Am liebsten hätte ich gleich meine Sachen gepackt und wäre gegangen. Aber wohin? Zu der Zeit hatte ich ja noch nicht meine Einraumwohnung, hier in Kreuzberg 36 .
    Wir saßen alle am Küchentisch, meine Mutter, mein Vater und ich. Zum Glück ließen sie mich ausreden und hörten mir zu, und ich erzählte, dass ich mich ausgesperrt hatte und ausgeflippt sei. Das passiere doch in meinem Alter öfter, und sie könnten ja froh sein, dass ich nicht Amok gelaufen bin oder sonst was Schlimmes angerichtet hätte. Und ich würde auch für alle entstandenen Kosten aufkommen, mit dem Sparbuch meiner Omas.
    Von den Sandras erzählte ich nichts.
    Mein Vater schüttelte den Kopf und raufte sich die Haare. »Was ist bloß in meinen Sohn gefahren? So einen Scheiß zu veranstalten!«
    Ich zuckte die Schultern und konnte meinem Alten nicht in die Augen sehen. Nicht, weil ich Angst vor ihm hatte, sondern wegen Schwester Sabine. Die Luft war raus, aus ihm und mir. Er kam mir sogar zerbrechlich vor. Mein Vater!
    Dann sagte meine Mutter, dass es da ein großes Problem in unserer Familie gebe und wir jetzt alle Karten auf den Tisch legen sollten, die Lügerei ginge schließlich nicht so weiter.
    »Dein Vater hat eine Geliebte.«
    Sie sagte das ganz klar, als wenn sie sagen würde: »Mach mal das Fenster zu.«
    Meine Eltern waren dann eine Weile mit sich beschäftigt oder vielmehr mit der Sache mit Schwester Sabine. Ich saß da, sagte nichts, aus meinen Haaren tropfte Wasser, und ich war zu schwach, um an den Kühlschrank zu gehen. Ich hatte auch keinen Hunger mehr. Allein die Möglichkeit, mir was zu essen holen zu können, machte mich schon satt – und die Situation an sich verdarb mir den Appetit. Leute, ich konnte nicht anders, ich dachte an Sandra. Ich sehnte mich so nach ihr!
    Ich legte eine Hand auf den Arm meiner Mutter. Aber da fing sie wieder an zu heulen.
    Sie hatte die Sache mit Schwester Sabine offenbar schon vor einiger Zeit geschnallt, sie war auch schon Mittwochabend von ihrem Kongress wiedergekommen und hatte meinen Vater hier im Haus überrascht, als er sich gerade auf den Weg machen wollte zu Schwester Sabine. Mit gegelten Haaren und meinem Nirvana - T -Shirt und dem Jimi-Hendrix-Button am Jackett.
    Und da war dann alles klar, meine Mutter kennt sich ja aus mit Symptomen. Mein Vater ist dann nicht mehr zu Schwester Sabine gefahren, und als Schwester Sabine anrief und fragte, wo er denn bliebe, da hat er ihr gesagt, er komme nicht mehr. Seine Frau sei da.
    Meine Eltern haben die ganze Nacht über ihre Ehe geredet und sind im Morgengrauen um den Schlachtensee gegangen, weil meine Mutter dringend frische Luft brauchte und um die Stresshormone abzubauen. Ausgerechnet im Morgengrauen, als mich die Bullen zu Hause abliefern wollten.
    »Es tut mir leid, dass ich auf die Rosen gekotzt habe«, sagte ich zu meiner Mama. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Ach, die Rosen!«, sagte sie und schnäuzte sich.
    Mein Vater nutzte die Gelegenheit und wollte mal wieder auf mich zu sprechen kommen, damit er nicht allein als Sündenbock dastand.
    »Es kann doch wohl nicht sein, dass in deinem Leben alles schiefläuft, kaum dass wir mal ein paar Tage aus dem Haus sind!«
    »Tut es ja auch gar nicht«, sagte ich. »Du hast ja keine Ahnung! Kümmre du dich doch um dein Leben!« Mann, war ich jetzt sauer. »Das ist nämlich das Einzige, was hier schiefläuft!«
    Ich stand auf. Mein Vater stand auch auf. Wir standen uns gegenüber. Ich glaube, er war kurz davor, mir eine zu knallen. Aber dann tat er etwas, was ich nie erwartet hätte, er fing an zu weinen. Die Tränen platzten nur so aus ihm heraus! Das hatte ich noch nie gesehen, bis dahin hatte ich immer gedacht, mein Vater besteht aus 100  Prozent Knochen.
    Leute, Weinen ist genauso ansteckend wie Lachen oder Gähnen. Wir veranstalteten jedenfalls das große Familienheulen. Und danach ging es uns allen besser. Mein Vater tat noch etwas, was er seit 100 Jahren nicht mehr getan hatte, er hat mich in den Arm genommen und ganz fest an sich gedrückt.
    »Wie soll es denn nun mit uns weitergehen?«, sagte meine Mutter irgendwann, und das war die entscheidende Frage, die uns gut eine Woche beschäftigen sollte.
    Meine Mutter schrieb mich für eine Woche krank. Ich durfte nicht zur Schule. Das war eine harte Zeit für mich, in der ich zur Besinnung kommen sollte, wie meine Mutter das nannte. Aber im Nachhinein war diese Woche wirklich nicht schlecht.
    Ich sehe uns
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