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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens
Autoren: Beate Doelling
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der Kies fing an zu rutschen, und wir sanken hinab, leicht und leise, mitten in die warmen Steine, wie im Traum, wenn man fällt, aber wir fielen nicht, wir rieselten dahin und waren einfach verschwunden, ineinander, fett, salzig und süß.
    Irgendwann wurde es kühl und feucht am Hintern, ich hörte Maschinen, Presslufthämmer, Pferdeschreien. Dabei war es eben in meinem Traum noch so still gewesen. Und Sandra hatte in die Stille hinein gesagt: »Komm jetzt endlich, ich muss das Pferd zum Schlachter bringen.«
    Ich fuhr hoch, klaubte Steine aus meinem Gesicht, rieb mir Sand aus den Augen. Es war gleißend hell. Baugerippe, Bagger und Schubkarren schaukelten auf meinem Horizont. Aber keine Sandra!
    Ich wühlte mich aus dem kalten Kies, zitterte, sah mich um, rutschte auf Geröll aus, schaute an mir hinab: nackter Oberkörper, die Jeans stand offen und der Saum meiner Shorts war nass. Ich musste eingeschlafen sein. Die kleine Birke neben dem Kieshaufen hatte über Nacht Blätter bekommen. Ich sprang auf, mir wurde schwarz vor Augen und ich sank in die Knie. Ich spürte nicht, wie hart ich aufschlug, auf irgendeinen Maurerhammer, mit dem ich mir mein Knie ruinierte.
    »Sandra?«, rief ich und erschrak selbst vor der Verzweiflung in meiner Stimme. »Sandra, wo bist du?«
    Ich trommelte mit den Fäusten auf die Erde und brüllte meine letzte Kraft aus mir heraus.

Der Molekül-Mann
    Mein Knie tat weh und ich humpelte los. Leute, ich hatte zwar schlecht geträumt – aber ich war entjungfert worden, von einer Göttin, die Sandra hieß! Nur das zählte. Und ich musste sie unbedingt wiederfinden!
    Ich schlüpfte durch den Bauzaun und stand mitten auf einem Bürgersteig. Barfuß, aber mit Jeans. Von meinem T -Shirt hatte sich der linke Knoten gelöst. Ich sah jetzt ein bisschen aus wie Tarzan. Aber mir war nicht zumute wie Tarzan. Eher wie jemandem, der im Paradies gewandelt war und dann abgestürzt in die Realität. Ich erinnerte mich an sonnenwarme Kieselsteine, aber es war nur wie ein Duft, der mir um die Nase spielte und wegflog, wie eine Libelle.
    Was ich genau erlebt hatte, weiß ich bis heute noch nicht. Okay, kein Orgasmus ist wie der andere – das hatte ich nach jahrelangen Experimenten schon selbst herausgefunden, aber darum ging es nicht. Es ging darum, dass mich das erste Mal jemand berührt hatte – und das ging über jeden verdammten Orgasmus hinaus. Das Problem war nur, dass dieser Jemand – oder um genauer zu sein, Sandra III – verschwunden war.
    Mir wurde schwindelig von dem Verkehr, der an mir vorbeirauschte. Berufsverkehr in Zehlendorf war a piece of cake gegen diese vollgestopfte Straße hier. LKW s rußten die Atemluft zu, Bremsen quietschten, Motoren jaulten. Drei Kieselsteine kullerten mir aus dem Hosenbein, ich bückte mich und hob sie auf. Sie lagen warm in meiner Hand, ruhig und nebeneinander. Ich spürte sofort, es waren die, die Sandra gestern berührt hatte.
    Ich steckte die drei Kiesel in meine Hosentasche, kehrte um und ging wieder auf die Baustelle. Sie musste zurückkommen. Sie musste!
    Ich verbrachte den ganzen Tag auf der Baustelle, kletterte in das Bürogerippe, buddelte mich in den Sand, ging den Weg ab, den wir am Abend vorher langgeritten waren.
    Aber alles war anders bei Tag.
    Es röhrte, hämmerte, wummerte, klirrte, krachte, ächzte, rumorte und über mir ein strahlend blauer Himmel. Nicht eine Wolke! Die Bauarbeiter ackerten mit freien Oberkörpern, schwitzten. Ich beobachtete, wie ein Stahlträger an einem Kran befestigt wurde und durch die Luft schwang. Der falsche Vollmond leuchtete in prächtigem Eiergelb, obwohl es bestimmt schon Nachmittag war. Es tat mir nicht gut, so lange den Kopf im Nacken zu halten. Frust zog auf, tief, schwarz und schwül. Angst und Verwirrung ballten sich zum Hurrikan und fegten durch mich hindurch. Sandra III war nicht zurückgekommen. Ich hatte gehofft, dass sie nur für ein paar Stunden verschwunden war. Aber auch als es Abend wurde, der Baulärm aufhörte, tauchte sie nicht wieder auf.
    Leute, ich hatte wieder einmal alles verloren – kaum gewonnen, schon zerronnen –, aber diesmal war es die Katastrophe pur.
    Ich wollte mich rein schlafen, aprilfrisch , nur noch eine Nacht überstehen und dann nach Hause, mich duschen, umziehen, was Kleines essen und Sandra wiederfinden!
    Der erste Teil meines Plans verlief auch wunderbar, aber wie ich dann die Nacht überstand – das ist ein anderes Kapitel, mal sehen, wie ich das downloade .
    Als ich wach
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