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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens
Autoren: Beate Doelling
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wurde, war es tiefste Nacht. Sandra war nicht da und kalt war mir auch noch. Ich bibberte, zitterte, fror mir den Arsch ab.
    Und dann brachte ich meine Opfergabe dar: Ich zog mir das T -Shirt aus. Ich legte es auf den Kieselsteinhaufen, ließ es da für Sandra. Sie würde mein Zeichen verstehen und zu mir zurückkommen!
    Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich alles andere als cool. Ich ging mit flatterndem Herzen, Sand in der Unterhose, ohne Flip-Flops, Richtung SO 36 , während mein Che-Guevara-Shirt ohne mich zurückblieb und, wenn Sandra es nicht fand, vielleicht in 2000 Jahren von Religionswissenschaftlern entdeckt werden würde, die anhand des Ausschnittes und der Struktur des Gewebes ausrechneten, wie groß und wie schwer ich gewesen bin. Ich, der Nach- und Vorfahre aller Heiligen, dem man zu spenden 50 Cent am Tag vergessen hatte.
    Ab und zu sprang mir noch ein Kieselstein aus dem Hosenbein; ich ließ sie springen. Die drei, die ich zuvor in meine Hosentasche gesteckt hatte, liegen jetzt vor mir, auf der Fensterbank, und sind noch warm. Wenn es sie nicht geben würde, wäre ich jetzt bestimmt in Bonnies Ranch. Aber sie sind real und Sandra ist real und der verdammte Gaul auch.
    Aber das wusste ich an dem Abend noch nicht. Ich war ohne Zuversicht, wie man so schön sagt. Mein Akku war so leer, leerer ging’s gar nicht. Wenn ich an den Häusern emporschaute, fingen sie an zu schwanken. Mir ging es wie dem guten, alten Franz Biberkopf, als er aus dem Knast entlassen wurde und nicht wusste, wo er hinsollte. Ich zog die Schultern ein, damit mich kein Schornstein erschlug.
    Dann blieb ich in einer Truppe Leute kleben wie in einem Spinnennetz. Ich kam nicht durch und nicht mehr heraus. Es war genau die Gesellschaft, die mein Vater als »schlecht« bezeichnen würde.
    Jemand drückte mir eine Flasche Bier in die Hand. Ich trank, als wäre es heiße Milch mit Honig, der Schaum lief mir aus den Mundwinkeln, ich ließ mich auf meinen Hintern plumpsen, jemand schenkte mir ein T -Shirt. Ein Hund war darauf, hinter einer Katze herrennend. Darunter stand: Fast Food .
    Leute, mein Fast-Food-Shirt ! Das letzte Mal hatte ich meinen Alten darin gesehen. – Alles, was du gibst, bekommst du wieder zurück! Das hatte meine Oma-Hannover immer gesagt, um mich zur Freundlichkeit anzustiften. Aber erstens war es nicht mein T -Shirt, dieses war kackbraun und meins war dschungelgrün, und zweitens hatte ich es meinem Alten nicht gegeben. Er hatte es sich selber genommen, ohne zu fragen!
    Ich zog das T -Shirt an und stand auf. Ich hatte es plötzlich ziemlich eilig. Ich musste meinem Alten entkommen, das Pferd vor dem Schlachter retten und die Sandras vor Pieter! Aber ich war schon nicht mehr so sicher auf den Beinen, sah plötzlich Holden Caulfield vor mir, wie er nach Hause wankte, klein und nass, weil er sich eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet und kein Handtuch dabeihatte, und wankend, weil er zu viel Whisky getrunken und nichts Richtiges im Magen hatte. Mögen sich bis hier unsere Karrieren noch geähnelt haben, jetzt drifteten sie auseinander, denn ich nahm einen anderen Weg, stellte gegen vier Uhr morgens meine Weiche – wenn ich auch sonst zu nichts mehr fähig war.
    Ich wollte mich nicht besaufen, ehrlich, das wäre das Letzte gewesen! Ich war benebelt genug, von Sandra, unserem Rausch im Kies und dem Rausch der Tage an sich. Ich wollte klar sehen, Leute, endlich den Durchblick haben, wenn ihr wisst, was ich meine! Aber ich wusste nicht, wohin, und hatte Angst, Sandra III vielleicht nie wiederzusehen. Berlin war groß und ich hatte nicht die geringste Spur. Zwar hatte ich ihr mein T -Shirt dagelassen, aber da stand ja kein Absender drauf. Ich fühlte mich so einsam und allein, und da waren eben nur das verdammte Bier, die Nacht und ich. Eine heikle Kombination.
    Ich wurde herumgeschubst. Man verabreichte mir Puffer, zwischen die Schulterblätter, in die Nieren, gegen den Arm – alles freundliche Aufforderungen, mit diesen Typen die Nacht zu verbringen. Ein Hund tauchte auf mit einem rosa besprühten Ohr und einer echten Ratte auf dem Rücken. Leute, ich war in einem Punkschuppen gelandet, oder vielmehr vor einem Punkschuppen, ein paar Penner waren auch da.
    Es roch nach Achselschweiß und Domestos , die Musik war viel zu laut und überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Irgendeine Revival-Party mit den Sex-Pistols und Dead Kennedys und wie sie damals alle hießen. Für meine Vivaldiverwöhnten Ohren war das nichts,
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