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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Autoren: Markus Götting
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Sonnensegel. Das wird dir schon noch vorkommen wie die Präsidenten-Suite.«
    Das Vorzelt. Shit. Das hatte ich ganz vergessen. Oder verdrängt? Lenas Vater hatte mir in einem dreiviertelstündigen Monolog die Grundlagen des Vorzeltaufbaus nähergebracht, Tücken und Fallen nicht ausgespart. Er hatte sogar verschiedene kleine Zeichnungen angefertigt, wie eine Montageanleitung von Ikea. Die hab ich allerdings in der plötzlichen Hektik unserer Abreise irgendwo daheim liegen lassen. Kann ja nicht so schwer sein, ein Zelt aufzubauen.
    Massimo verabschiedet sich. »Ci vediamo stasera« , ruft er Lena im Wegfahren zu. Ich schaue irritiert seinem eigenartigen Gefährt hinterher, bis es um die Biegung am Ende der Straße verschwunden ist. Punkt eins: Hätte er mich auch mal fragen können, ob ich ihn gleich heute Abend schon wiedersehen will. Und Punkt zwei: Vielleicht rechnet er gar nicht mit mir?
    Lena fummelt den Wohnwagenschlüssel aus ihrer Handtasche, Strahlen der Vorfreude im Gesicht. Sie schließt die Tür auf – und ein Gestank schlägt uns entgegen, als hätten wir die Gruft einer kürzlich verstorbenen Waschbärenfamilie geöffnet.
    »Boah, was ist das denn?« Mir wird augenblicklich kotzübel. So hab ich mir den Geruch der Freiheit nicht vorgestellt.
    »Oh, stimmt, das hatte ich vergessen. Mein Vater hat gesagt, dass sie beim letzten Mal im strömenden Regen abbauen mussten. Kann sein, dass das Vorzelt noch ein bisschen klamm ist.«
    »Bisschen? Das riecht komplett vermodert. In dieser Karre hier ist es feuchter als im Dampfbad. Nur ohne den Duft von ätherischen Ölen.«
    »Entspann dich«, sagt Lena ganz entspannt. »Wir legen das Zeug in die Sonne, da ist es im Nu getrocknet. Und in der Zwischenzeit lüften wir halt ein bisschen durch.« Sie sagt: »Bevor du das Zelt einspannen kannst, musst du sowieso erst mal alle Stangen aufbauen. Und bei deinem handwerklichen Geschick ist bis dahin eh alles trocken.«
    Herzlichen Dank. Ich weiß selbst, dass mein Talent maximal dafür ausreicht, einen Nagel in die Wand zu schlagen. Und im Baumarkt interessiere ich mich auch eher für die Putzmittel, die sie in diesen irren Werbefilmen anpreisen. In unserer Ehe bin ich quasi das Mädchen.
    Wir hängen die miefenden Zeltwände über die brusthohen Hecken, die unseren Stellplatz begrenzen, räumen Tische und Stühle raus, einen Kühlschrank und etliche seltsame Taschen, in denen ich weiteren Kleinkram vermute. Unfassbar, was die alles in diesen Wagen reingestopft haben. Unfassbar auch, was man offenbar alles fürs Campen braucht.
    Dabei habe ich noch gar keine Ahnung, was man so alles braucht.
    Einen Wohnwagen-Stellplatz muss man sich so ähnlich wie eine Gartenlaube vorstellen. Nur unter Italiens Sonne. Der Wagen selbst ist dermaßen zwischen die Hecken gequetscht, dass er uns wie eine Mauer den Rücken zur kleinen geteerten Straße abschirmt. Er lässt gerade mal Platz für einen schmalen Durchgang in unser Reich. Vor uns die Parzelle: eine Art sandiger Garten mit Meerblick. Hinter einem Mäuerchen, das mir bis zu den Waden reicht, beginnt der Strand. Immerhin. Näher kann man tatsächlich nicht dran sein. »Hier hast du eine Schaufel«, sagt Lena, »als Erstes müssen wir den Platz mit Sand einebnen.«
    »Hast du einebnen gesagt?« Ich bin doch kein Bauunternehmer. Ich blicke auf das vertrocknete Gras zu meinen Füßen, das vorwitzig aus dem Sand lugt. Nun gut, ich werde es in eine planierte Wüste verwandeln.
    »Und vergiss nicht, die Gräben zu ziehen«, befiehlt Lena, während sie sich daranmacht, die versifften Campingmöbel zu schrubben.
    Gräben ausheben. Das sollten wir Deutschen in fremden Ländern besser nicht mehr tun, denke ich.
    »Wozu soll ich einen Graben ausheben? Wir sind doch völlig unbewaffnet.«
    »Falls der Regen kommt, du Depp. Dann kann das Wasser abfließen.«
    »Moment mal. Von Regen war vorher nie die Rede!«
    Ich blicke aufs Meer. Den Strand davor werde ich nun also nach und nach sorgfältig auf unseren Stellplatz verlagern. Mit einem Klappspaten und einem Kindereimerchen.
    Die Sonne knallt mir auf die Rübe, ich schwitze schlimmer als die D-Promis, die fürs Fernsehen in einen australischen Dschungel ziehen. Schippen, kippen, planieren – nach einer guten Stunde ist die Vorarbeiterin mit meinem Werk zufrieden. Jetzt kommt die Königsdisziplin: der Zeltaufbau.
    Es gibt unzählige Zeltstangen. Sie sehen ein wenig aus, als wären sie aus Karbon, und sind mit kleinen Aufklebern versehen, auf denen
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