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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Autoren: Markus Götting
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stöhnte Toni synchron dazu.
    Ich selbst hatte das Gefühl, dass jeden Augenblick mein zentrales Nervensystem den Dienst verweigern würde.
    Wie kommt man bloß aus so einer Nummer wieder raus? Simple Antwort: gar nicht. Ich wusste, dass Lena in der Sache mit drinsteckte. Meine Fragen nach der Hochzeitsreise hatte sie stets mit dem Hinweis auf eine »Überraschung, Überraschung« ihres Vaters pariert. Dass es nicht die Bahamas werden würden, war mir klar. Aber hätten es nicht wenigstens die Malediven sein können?
    »Alter, da musst du jetzt hin, da musst du jetzt durch«, sagte Toni, als wir zwei Wochen nach der Feier wieder im Mezzo saßen, unserem Lieblingscafé in München.
    Toni wusste nur zu gut, dass es, nun ja, gewisse Vorbehalte in Lenas Familie gegen mich gab. Da waren zum einen körperliche Defizite: meine Nase. Deren infernalisches Grunzen hatte mir damals bei meinem Vorstellungsbesuch in der ersten Nacht den Narrenstatus eingebracht. Um drei Uhr in der Früh standen sie komplett versammelt vor der Tür des Gästezimmers, in dem ich vor mich hin schnarchte, und versuchten, die aus meinem Bett geflüchtete Lena zu trösten.
    Zum anderen bestanden vehemente Zweifel an meinem Charakter: Den Wohlmeinenden unter Lenas Leuten galt ich als verhätscheltes Einzelkind und entsprechend verweichlicht. Daran konnte auch mein nicht gerade risikoarmer Job als Krisenreporter eines Nachrichtenmagazins kaum etwas ändern. Zumindest in der Achtung ihrer Schwester war ich zuletzt von Quadrat-Arsch zu Vollarsch gestiegen. Man muss das tatsächlich als Verbesserung betrachten.
    »Ist doch cool. Du wirst eine Menge Menschen kennenlernen«, sagte Toni, »die dir sonst, na ja, sagen wir mal, eher nicht begegnen würden.«
    »Siehst du. Und genau das macht mir Angst.« Ich biss in meinen Schinken-Käse-Toast.
    »Du bist Journalist! Du bist neugierig! Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd! Apropos Hemd, das ist schön«, er beugte sich zu mir rüber und zupfte meinen Kragen nach hinten, um einen Blick auf das Label zu werfen. Toni kräuselte erstaunt die Nase. »Seit wann trägst du Zara?«
    »Seit ich zu drei Wochen Urlaub im Wohnwagen verurteilt wurde.«
    Toni ist Halbgrieche, und seiner mediterranen Herkunft entsprechend, bestellte er sich einen Viertelliter Weißwein. Es war kurz vor zwölf Uhr mittags. »Das ist doch Blödsinn. Pass auf, dieses Kaff scheint deiner Frau etwas zu bedeuten. Und Lena ist eine tolle Frau. Nimm es als Spurensuche. Darauf steht ihr Reporter doch, oder?«
    Vielleicht hatte er ja recht. Was wusste ich schon von Apulien? Außer, dass sie dort einen Herrn namens Padre Pio verehren, herzlich wenig. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht mal genau, wo es liegt.
    Ich mag Italien. Deshalb habe ich vor ein paar Jahren auch angefangen, die Sprache zu lernen. Wenn auch in trauriger Unregelmäßigkeit.
    Meine erste Erfahrung war ein Urlaub in Rimini, der letzte vor meiner Einschulung. Die Fahrt dauerte ewig. Wir stiegen am letzten Kindergartentag mittags ins Auto, und auf der Autobahn war es wie mit den Zugvögeln: Alle hatten sich wie auf ein Zeichen hin verabredet, zur selben Uhrzeit ans selbe Ziel zu fahren. Leider hatte man in dieser dunklen Vergangenheit noch nicht serienmäßig eine Klimaanlage im Auto. Die Hitze, der Stau, die Kurven – irgendwo in Südtirol kotzte ich meinen Eltern ihren nagelneuen VW Golf voll. Und ich erinnere mich noch, dass mein Vater meine Mutter anbrüllte: »Siehste, deshalb wollte ich die Ledersitze!«
    Die Stoffbezüge sogen meine Magensäure auf wie ein Schwamm. Der Geruch wurde ein prägender Begleiter unserer Italienreise. Als wir in Rimini ankamen, fragte mein Vater an einer Straßenecke nach der Pensione Alma. Ein sehr freundlicher Herr begleitete uns zu einer eher bescheidenen Herberge. Wir checkten ein, und als wir schließlich unser Zimmer betraten und das Gepäck verstauen wollten, erlitt meine Mutter angesichts der hygienischen Zustände in unserer Unterkunft einen mittleren Nervenzusammenbruch. Nachdem sie sich halbwegs davon erholt hatte, holte sie Lappen und eine Flasche Sagrotan aus dem Koffer und putzte wie besessen die Schränke und zog im Bad Haare aus dem Abfluss. Mein Vater und ich gingen derweil an den Strand. Es war einfach herrlich – bis zu jenem Moment, da wir zurückschlenderten und mein Vater irritiert das Schild an der zehnten Etage unserer Pension betrachtete. Dort stand »Albergo Nettuno«, verziert von einer Figur mit Dreizack. Ich erinnere mich,
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