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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Autoren: Markus Götting
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Ungeziefer in der Unterhose.
    »Mit den Mädels schmusen«, sagte ich, »fällt ja jetzt wohl flach. Und dieser Urlaub hat auch nix mit Abenteuer und Lagerfeuer zu tun.«
    »Alter, es ist ein Hochzeitsgeschenk. Von deinem Schwiegervater. Da bist du moralisch in der Pflicht!«
    »Jetzt komm du mir nicht mit Moral.« Ein Typ, der als Werber sein Geld damit verdient, Leuten mit Hochglanzanzeigen und schicken Slogans falsche Versprechen zu machen, ist in etwa so glaubwürdig in Sachen Moral wie ein Bundespräsident, der sich seinen Urlaub bei reichen Freunden erschnorrt.
    »Alter«, sagte Toni, »es ist ein Hochzeitsgeschenk. Von deinem Schwiegervater. Punkt.«
    Ich begriff, dass ich mein Urteil wohl akzeptieren musste. Ich würde mich aufmachen zu einer Reise in eine fremde, unheimliche Welt. Denn es war der einzige Weg in die Herzen meiner neuen Familie.

Tre
    Von der kleinen Landstraße zwischen Campingplatz und dem sogenannten Zentrum Sepianas wirkt unsere Grande-Paradiso-Bucht so traumhaft wie eine mit Photoshop bearbeitete Postkarte. Die Hügel mit alten Bäumen bewachsen, die Felsen mit Moos und grünlichem Gestrüpp. Das Meer atemberaubend azzurro . »Wow!«, rutscht mir zu meinem eigenen Erstaunen heraus. Lena sieht immer noch ganz blass aus, und an ihrer Stirn klebt ein notdürftig befestigtes Pflaster. Ihr Blick verrät, dass sie meine Begeisterung für einen schleimigen Versuch hält, mein schlechtes Gewissen zu kompensieren. Dabei meine ich es wirklich ernst: »Schau mal da drüben auf dem linken Felsen – was ist denn das für ein komisches Holzgestell?«
    »Das ist der Trabucco. Damit zieht der Fischer die Netze aus dem Wasser und holt den Fang raus. Der hat auch ein kleines Restaurant, das führt Matteo.« Matteo, erzählt Lena, ist der Sohn des Fischers und einer ihrer ältesten Freunde im Dorf. Vor ein paar Jahren hat er eine australische Surferin geheiratet. Jetzt verbringen die beiden die eine Hälfte des Jahres in Sepiana und die andere am Strand von Byron Bay in New South Wales. In der Summe ergibt das beneidenswerte zwölf Monate Sommer. »Wenn du magst, können wir die Tage ja mal bei ihnen essen gehen.«
    Hinter weißen Mauern am Ortseingang liegt der kommunale Friedhof, auf der anderen Straßenseite eine Iper-Coop-Filiale. Wir fahren vorbei an bunten Gemüseständen und einem Geschäft für Campingbedarf. »Da, hinter der Schule kannst du rechts reinfahren, wir parken vor der Kirche.«
    Die Eglisia San Giovanni hat einen morschen Turm, der vierzig Meter hoch aufragt. Ich bin mir sicher, dass nicht mal der frömmste Glöckner mit dem größten Gottvertrauen sich noch da rauftraut. Hätte mich das Erzbistum in so eine Kirche versetzt, würde ich definitiv nur mit Schutzhelm zur Messe gehen.
    Die Altstadt von Sepiana ist kurios verwinkelt und fällt zum Meer hin ab. Überall kleine Steintreppen, die wenigsten mit Geländer, dann kommt wieder die nächste Hausecke, die vorwitzig in eine enge Gasse hineinragt. Sollte es hier je einen Stadtplaner gegeben haben, hat er wahrscheinlich die Kritzeleien seiner Kinder mit dem Bebauungsplan verwechselt.
    Wir schlendern ein paar hundert Meter durch diese Kopfsteinpflaster-Idylle, bis Lena vor einem weiß getünchten Haus stehen bleibt. Drei Geschosse, pittoreske hellblaue Lamellen-Fensterläden, und im Gegensatz zu den benachbarten Bauten, die wie nahtlos ineinander übergehen, wirkt dieses hier sogar einigermaßen frisch gestrichen. An einem großen schmiedeeisernen Tor hängt ein Messingschild mit eingraviertem Namen: Dottore Salvatore Cevani.
    »Salvatore – heißt das nicht Retter? Ich finde, das klingt sehr vertrauenerweckend.«
    Lena hält sich weiterhin den Kopf: »Warte ab, bis wir drin sind. Du warst noch nie beim Arzt in Italien, oder?«
    Ist sie jetzt etwa skeptisch oder einfach nur abgebrüht? Andererseits gelten Italiener in der Tat als Weltmeister der glänzenden Oberfläche. Alte Regel: Je besser junge Männer gekleidet sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie immer noch bei der Mamma wohnen. Die tankt dann auch regelmäßig seinen schicken Wagen voll und betet jede Woche mindestens fünf Rosenkränze, dass irgendeine Frau auf diese Maskerade reinfällt, das Söhnchen heiratet und ihr schließlich den Wäschedienst abnimmt.
    Wir gehen durch einen kleinen Vorhof mit Marmorplatten. Eine grüne Holztür, dahinter ein finsteres Treppenhaus. In der ersten Etage klingeln wir erneut. Ein weißhaariger Mann öffnet, und wir stehen unvermittelt im
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