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Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)

Titel: Alles außer Mikado: Leben trotz Parkinson (German Edition)
Autoren: Jürgen Mette
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Gott mir dadurch sagen? Warum lässt Gott das zu? Ist Krankheit vielleicht doch eine Strafe? Jürgen Mette lässt keine dieser Fragen aus, aber er zeigt auch, wie er sie sich beantwortet hat oder wie er mit ihnen lebt. Mitten in seinem Alltag und in den dunklen Stunden trifft er auf sie. Für manche Fragen hat er sein ganz eigenes Rezept entwickelt. Deshalb bleibt es in diesem Band weder dunkel noch traurig. Ganz im Gegenteil: Das Buch verbreitet Hoffnung und Licht, gewürzt mit Musik und Humor und nicht zuletzt durch Glauben und Lebensfreude.
    Daher kann ich es Ihnen nur ans Herz legen.
    Ihr Dan Peter
    Kirchenrat Dan Peter leitet das Referat Publizistik und Gemeinde im Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche Württemberg und ist stellvertretender Vorsitzender der Stiftung Marburger Medien.

Prolog
    Es roch immer etwas muffig in dem düsteren, kühlen Hausflur des alten Bauernhauses, sogar im Sommer. Etwas heller wurde es in der blitzsauberen Küche. Von dort aus ging es eine Stufe hoch in die gute Stube. Ein Sofa, ein Ohrensessel, der Tisch, voll mit Zeitschriften aus Landwirtschaft und Kirche, ein Harmonium – mit Pedalen unten für den Blasebalg – und eine Nähmaschine, auch mit Fußbetrieb. Das war das kleine, gemütliche Reich des Altbauern und seiner Frau. Beide waren hochbetagt, aber noch ziemlich frisch im Kopf. Sie flickte die Wäsche oder strickte Strümpfe und wusste immer viel zu erzählen. Auf dem behaglich blubbernden Holzofen stand eine Kanne Malzkaffee und meistens war auch trockener Streuselkuchen im Angebot, an dem kein Besucher vorbeikam.
    Der alte Bauer – immer im grünen Lodenzeug – las viel und schwieg viel. Sie hatten das Radiogerät auf den frommen Sender »Trans World Radio« eingestellt und diese Frequenz wurde nur zu den Wettermeldungen des Landfunks verlassen. Die beiden konnten ja nicht mehr zur Kirche gehen. Da war das Radio eine bequeme Möglichkeit, sich innerlich zu orientieren und geistig frisch zu bleiben. Sie waren im Gesangbuch und in der Bibel zu Hause.
    Einmal in der Woche kam ein Junge aus der Nachbarschaft und brachte was zum Lesen vorbei. Sie nannten ihn »Jirjen«. Den fragte die alte Bäuerin immer gründlich aus, obwohl sie alle Neuigkeiten aus dem Dorf längst wusste.
    Der alte Bauer ging gebeugt und zitterte am ganzen Leibe. Immer wenn »Jirjen« zur Tür hereinkam, weinte der alte Mann im Lodengrün vor Freude und Rührung und wurde regelrecht geschüttelt. Er spielte gern Harmonium, aber dann war er derart aufgeregt, dass er die Tasten verfehlte. Sein Gesicht war starr wie eine Maske, so, als wären die Gesichtsmuskeln mit ihm vor Jahren in Rente gegangen. Das Sprechen fiel ihm zunehmend schwer. Immer wenn er den Mund spitzte, um ein paar Worte wie Zahnpasta aus der Tube zu pressen, musste sich »Jirjen« verschämt abwenden, weil das so komisch aussah. Aber der alte Mann trug sein Leiden mit stiller Würde. Er klagte nie, obwohl er sich kaum vom Sessel entfernen konnte.
    Irgendwann in den 60er-Jahren ist der Alte in der Kammer neben dem dunklen Hausflur für immer friedlich eingeschlafen. »Jirjen« war es schwer ums Herz, als er hinter dem Sarg herlief. Der alte Bauer hat zwanzig Jahre seines Lebens gezittert. Nun hatte er endlich seine Ruhe.
    »Lieber Gott, mach bitte, dass ich nie diese Zitterkrankheit bekomme«, betete der kleine »Jirjen« abends vor dem Schlafengehen. Aber dieses Gebet muss irgendwie verloren gegangen sein.
    *
    »Zieht euch ordentlich an, Jungs, heute kommt ein Ehepaar aus Kassel zum Kaffee! Das sind feine Leute. Und wundert euch nicht, der Mann ist krank.« Eine der typisch klaren Ansagen meiner Mutter, die immer gern Gäste einlud. Der Tisch im Wohnzimmer wurde mit feinem Porzellan und Silber gedeckt. Der Kaffee duftete aus der Küche und die Torten waren lecker dekoriert.
    Und dann fuhren sie im Dorf vor, die Gäste aus der nordhessischen Metropole. Eigentlich waren es ganz bescheidene Leute, aber meine Mutter machte immer ein bisschen Wirbel, wenn »feine Leute« aus der Stadt zu Besuch kamen. Die Gäste saßen in einem cremefarbenen »Lloyd Alexander«, der mit der Blumenvase und Plastikblume am Armaturenbrett. Der Fahrer schälte sich mühsam aus dem Auto, seine Frau ging ihm dabei zur Hand. Der eine Arm hing wie lahm an ihm herunter, der Gang war schlurfend und schleppend. Er war um die fünfzig, aber er kam nur mühsam die Vortreppe hoch. Der Mann zitterte am ganzen Leibe. Ein Bild zum Erbarmen.
    Nach der herzlichen
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