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Alles auf Anfang

Alles auf Anfang

Titel: Alles auf Anfang
Autoren: Benioff David
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Geschäfte zu machen, sofern es nicht unbedingt erforderlich war, was er zu diesem Zeitpunkt stark bezweifelte.
    »Schon kapiert«, wiederholte der Australier. »Du willst einen klaren Kopf für die Verhandlungen behalten.«
    »Welche Verhandlungen?«
    Der Australier grinste verschlagen und begutachtete die Asche am Ende seines Joints. Er hatte Tabachnik seinen Namen genannt. Tabachnik vergaß nie einen Namen, aber für ihn war der Australier schlicht und einfach »der Australier«. Er war überzeugt, dass er selbst für den Australier schlicht und einfach »wichtiges Plattenlabel« war, aber irgendwann würde daraus »dieses Arschloch Tabachnik« werden.
    »Okay«, sagte der Australier. »Schieß los.«
    »Was meinst du?«
    »Komm schon. Lassen wir die Spielchen. Du bist doch wegen der Band hier.«
    »Ich verstehe nicht ganz. Hast du Postfunk Jemimah unter Vertrag?«
    Der Australier blinzelte durch die Rauchschwaden. »Die Taints.«
    »Worüber reden wir dann? Ich bin wegen Postfunk Jemimah hier.«
    »Die Taints gefallen dir«, sagte der Australier und drohte mit dem Zeigefinger, als wäre Tabachnik ein unartiges Kind. »Ich hab doch gesehen, wie du das Publikum beobachtet hast. Und, willst du sie haben?«
    »Wen?«
    »Die Taints.«

    Tabachnik lächelte seine Version eines Lächelns: die Lippen zusammengepresst, ein sichelförmiges Grübchen in der linken Wange. »Wir führen hier zwar ein Gespräch, aber wir kommunizieren nicht. Ich bin da, um mir Postfunk Jemimah anzuschauen.«
    »Zu spät, Mann. Die haben bei Sphere einen Sechs-plus-eins unterschrieben.«
    »Stimmt«, sagte Tabachnik und ließ die Eiswürfel in seinem Glas klirren. »Und wir sind dabei, Sphere zu kaufen.«
    Der Australier riss den Mund auf, machte ihn zu, riss ihn wieder auf. »Ihr kauft Sphere? Erst vorgestern Abend hab ich Greenberg im VelVet getroffen. Er hat kein Wort davon gesagt.«
    »Wer ist Greenberg?«
    Der Australier lachte. »Der Präsident von Sphere.«
    »Green spon . Und er ist gesetzlich verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren. Ich mache mich strafbar, wenn ich darüber spreche, aber« - Tabachnik deutete mit der freien Hand auf den leeren Raum - »ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
    Der Australier nickte feierlich und tat wieder einen langen Zug an seinem Joint. Tabachnik schätzte, dass er achtundvierzig Stunden benötigen würde, um das Mädchen zu kriegen. Das Letzte, was er brauchen konnte, war, dass dieses mickrige Label sein Interesse an der Sängerin witterte und sie an die Kette legte, ihren Vertrag umformulierte. Wenn das geschah, musste er Loving Cup eine Abfindung zahlen, und Tabachnik hasste es, Mittelsmänner zu bezahlen. Im großen Weltenplan machten die Musiker die Musik, und die Konsumenten kauften die Musik, und jeder dazwischen, Tabachnik
eingeschlossen, war ein Mittelsmann. Aber Tabachnik glaubte nicht an den großen Weltenplan. Es gab bescheidene Pläne, und es gab grandiose Pläne, aber es gab keinen großen Weltenplan.
    »Ich kann dich mit Heaney bekannt machen«, sagte der Australier, sich verzweifelt an einen Strohhalm klammernd. »Dem Manager von Postfunk Jemimah.«
    »Ich weiß. Wir haben gestern Abend zusammen gegessen. Trotzdem danke.« Tabachnik lächelte wieder sein schmallippiges Lächeln. Sein Lächeln war immer schmallippig, weil Tabachnik bis vor wenigen Monaten eine Zahnspange getragen hatte. Er trug sie zwei Jahre lang, weil seine Zähne so schief geworden waren, dass er sich beim Essen jedes Mal die Lippen und die Wangen von innen blutig biss. Jetzt waren die Zähne gerade, die Klammern weg, aber er hatte sich antrainiert, mit geschlossenem Mund zu lächeln und zu lachen.
    Eigentlich sollte er eine Zahnspange bekommen, als er zwölf war, wie jeder normale Amerikaner, aber seine Mutter und sein Vater, die sich im Jahr davor getrennt hatten, konnten sich nicht einigen, wer sie bezahlen sollte. »Dein einziger Sohn wird mal aussehen wie ein englischer Buchmacher«, sagte seine Mutter immer am Telefon, während sie eine Zigarette rauchte und Tabachnik winkte, wenn sie sah, dass er zuhörte. »Entschuldige mal, entschuldige mal, ich würde ja arbeiten, und weißt du auch, warum ich keinen Job habe? Weißt du eigentlich, wer in den letzten zwölf Jahren deinen Sohn großgezogen hat?«
    Als das Geld für die Zahnregulierung dann endlich eintraf, teilte Tabachnik seiner Mutter mit, dass er keine Spange
wolle. »Schätzchen«, sagte sie, »willst du dein Leben lang mit kreuz und quer
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