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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
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Bundeswehr hatte jede Kleinigkeit ihre Bedeutung. Was bedeutete es, dass die beiden am Mittag vor ihrer Tür standen? Unangemeldet. Normalerweise meldete die Bundeswehr sich an. Sie konnte es sich nicht leisten, Soldaten oder gar Offiziere von Neubrandenburg oder gar von Berlin aus umsonst nach Usedom fahren zu lassen. Oder hatten sie sich angemeldet und sie hatte es nicht mitbekommen? Es geschah in letzter Zeit öfter, dass sie einen Termin vergaß. Das Elterngespräch in Felix’ Grundschule zum Beispiel. Das hatte richtig Ärger gegeben. So viel Ärger konnte die Bundeswehr gar nicht machen wie die Direktorin der kleinen Koserower Schule.
    Marie fragte sich, ob sie für die Besucher aus Berlin ein Mittagessen hätte kochen müssen. Karl war sicher sauer. Wenn er in Kundus erfuhr, dass zwei seiner Kameraden so weit hier heraufgekommen waren und nicht mal ein warmes Essen von ihr angeboten bekommen hatten, würde er ihr Vorwürfe machen. Marie wollte nicht, dass Karl sich in Afghanistan mit so etwas belastete. Dass er durch ihre Vergesslichkeit in die Bredouille geriet. Er brauchte das Gefühl, dass zu Hause alles in Ordnung war. Das war eine Lehre, die sie von dem Kaffeeklatsch in Neubrandenburg mit nach Hause genommen hatte.
    »Wir kommen aus Berlin«, sagte der Hauptmann. Er wirkte verlegen. Komisch, ein Hauptmann hatte keinen Grund, ihr gegenüber verlegen zu sein. Karl war rangmäßig sein Untergebener. Auch wenn solche Dinge in der Bundeswehr oft verwirrend waren. War er verlegen, weil sie ihn und seinen Begleiter nicht gleich zum Mittagessen eingeladen hatte? In dem Schrank unter der Spüle mussten noch zwei Dosen Ravioli stehen. Das sollte doch auf die Schnelle genügen, oder?
    »Mama!« Jetzt erst bemerkte Marie, dass Felix hinter ihr stand. Sie drehte sich um und packte seine Hand. Ein dummer Reflex. Wovor musste sie ihn denn beschützen? Vor dem Hauptmann aus Berlin?
    »Was wollen die?«, flüsterte Felix.
    Der Hauptmann sah sich unsicher nach seinem Kameraden um. Der senkte den Blick.
    »Sie statten uns einen Besuch ab«, sagte Marie und tätschelte Felix’ Hinterkopf, eine Geste, die sie bei anderen Müttern nicht ausstehen konnte. »Es sind Kameraden von Papa.«
    Felix machte sich los. »Habt ihr meinen Papa gesehen?«, fragte er die beiden.
    Der Hauptmann schaute Marie vorwurfsvoll an. »Nein. Dein Vater ist im Ausland. Wir sind in Berlin.«
    »Dürft ihr nicht ins Ausland?«
    Der Hauptmann blähte seine Nasenflügel auf. »Können wir Sie alleine sprechen, Frau Blau?«
     
    Marie brachte Felix zur alten Frau Hinrichsen. Sie hätte ihn auch allein losschicken können, die Alte war die nächste Nachbarin und er war gewohnt, sich im Ort ohne seine Mutter zu bewegen. Aber nach dem seltsamen Auftritt der beiden Offiziere wollte sie ihn nicht seinen Fragen überlassen.
    »Warum darf ich nicht dabei sein?«
    »Wahrscheinlich wollen sie mir ein Dienstgeheimnis anvertrauen.« Was anderes fiel ihr auf die Schnelle nicht ein.
    »Was ist ein Dienstgeheimnis, Mama?«
    Marie brauchte eine Weile für die Antwort. »Na ja, so Sachen, die Papa betreffen. Vielleicht wird er in eine andere Stadt verlegt …«
    »Verlegt? Wie ein Wasserrohr?«
    Marie wurde mit jedem Schritt nervöser. »Das sagt man so. Wenn jemand irgendwo anders hingeschickt wird. Zum Arbeiten.«
    Zum Glück schien das den Jungen zufriedenzustellen.
    Als sie das Grundstück der Hinrichsen betraten, wandte er sich um. »Aber du sagst es mir, ja?«
    »Was?«
    »Das Dienstgeheimnis von Papa.«
    »Ich sage es dir. Ich sage dir doch immer alles, was Papa betrifft.«
    Eigenartigerweise freute diese Mitteilung Felix so sehr, dass er sich von ihrer Hand losmachte und zur Haustür hüpfte.
    Frau Hinrichsen war eine weißhaarige Witwe, die auch zu Hause die Ostseetracht trug: eine weiße Spitzenbluse, eine blaue, ärmellose Jacke und einen schwarzen Haaraufsatz.
    »Kann Felix kurz bei Ihnen bleiben? Es sind Leute aus Berlin gekommen. Kameraden von Karl.«
    Zum Glück verzichtete die alte Frau auf Fragen. Sie sagte, sie habe Zeit genug, und machte die schmale Tür ihres reetgedeckten Holzhauses frei, damit der Junge reinschlüpfen konnte.
    Marie ging zu ihrem Haus zurück. Sie riss sich zusammen. Nicht laufen, sagte sie sich, damit machst du alles nur noch schlimmer.
    Die beiden Offiziere standen noch vor der Tür. Sie hatte sie nicht ins Haus gelassen, als sie Felix zu Frau Hinrichsen gebracht hatte. Es widerstrebte ihr, zwei Fremde allein in ihren vier
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