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Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Titel: Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
Autoren: Tillmann Bendikowski
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Überraschungseiern entgegenhüpfen, in denen früher doch harmlose kleine Autos zum Zusammenbauen schlummerten – all die greifen nach unseren Kindern, wollen sie unterhalten, mit Plastik einwickeln und schließlich verblöden. (Und wir haben an dieser Stelle noch gar nicht über den übergroßen Markt an Kinderbüchern gesprochen, der ein Thema für sich ist.) Es ist nur den Müttern zu verdanken, dass die Kinder dieser Hölle entgehen. Mütter setzen ihr die eigene Kreativität und Klugheit entgegen: Sie versuchen, gutes und schlechtes Spielzeug zu unterscheiden, oft genug können sie auch noch Weihnachtssterne basteln oder singen mit den Kindern ein Lied. Mit diesen Heldentaten gleichen sie die Zumutungen unserer Zeit tagtäglich aus. Nicht immer gelingt ihnen alles, und manchmal scheitern sie auch. Aber sie geben nicht auf. Und dafür – das vergaßen wir vielleicht zu erwähnen – kommen sie alle in den Himmel.

DER NIKOLAUS IST AUCH NUR EINE MUTTER
    Im Kindergarten unseres ältesten Sohnes wurde ich eines Tages mit dem Amt des Protokollschreibers betraut. Das ist nach meiner Erfahrung eine höchst glückliche Position, da sie verhindert, dass sich nach einem langen Arbeits-Kinder-Tag während eines Elternabends still und heimlich die Konzentration davonschleicht – der Protokollant hat sozusagen eine sich selbst wach haltende Funktion. Er darf nicht wegnicken, auch wenn die Themen noch so verlockend sind. Und wenn er etwas nicht versteht, darf er als Einziger zum klärenden Zwischenruf greifen: »Leute, nur noch mal fürs Protokoll: Also, was jetzt? Kuchen oder Kekse?« Leider bin ich den schönen Posten dann doch wieder losgeworden; eine Erzieherin trat an mich heran und bat mich, den Ton der Protokolle – schließlich würden diese im Vereinsarchiv für die Nachwelt archiviert – bitte weniger humoristisch zu halten. Wieso humoristisch?, fragte ich zurück. »Na ja«, erwiderte sie, »allein die Sache mit dem Nikolaus.«
    Nun brauche ich an dieser Stelle kaum erwähnen, dass ich mir keiner Schuld bewusst war. Die Sache mit dem Nikolaus hatte ich gar nicht humoristisch motiviert ins Protokoll gehoben, vielmehr habe ich nur die Wahrheit dokumentiert: »Der Nikolaus«, so hieß es in dem inkriminierten Textdokument aus meiner Hand, »kommt auch in diesem Jahr wieder.« So weit, so gut. Und wohl auch nicht anstößig. »Und es überrascht nicht, dass der Nikolaus auch in diesem Jahr wieder eine Frau ist.« Was bitte schön ist an dieser Notiz unseriös? Oder gar unbotmäßig humoristisch? Die Realität in deutschen Kindergärten sieht nun einmal vor, dass am Morgen des 6. Dezember der freundliche Heilige auch diesen Einrichtungen einen Besuch abstattet. Selten tritt er dabei selber in Erscheinung, aber zumeist klopft er gebieterisch an die Türe, hinter der dann ein Sack mit Leckereien liegt, sobald die Kinder sie öffnen. Höchstens – so im Fall unseres Kindergartens immer geschickt und auf die Sekunde genau inszeniert – sieht man die Gestalt mit dem roten Mantel noch um den Gartenzaun biegen. Und das alles geschieht so gegen neun Uhr, wenn die meisten Väter in diesem Land schon längst arbeiten. So also ist der Nikolaus – oder meinetwegen: die an die Tür klopfende oder um die Gartenecke verschwindende Gestalt, die wir verehren – eben eine Mutter, die nicht berufstätig ist und also Zeit für diesen Auftritt hat. Und das Jahr für Jahr. Was also bitte ist dann an der Formulierung »Und es überrascht nicht, dass der Nikolaus auch in diesem Jahr wieder eine Frau ist« unbotmäßig humoristisch? Dabei habe ich nicht einmal ins Protokoll geschrieben, dass ich den kindergärtlichen Nikolaus zwar selbst auch nur von hinten gesehen habe, aber doch überrascht war, wie gut in Schuss der alte Mann doch war – erstaunlich schlank und hochgewachsen, lange Beine, anmutig in der Bewegung und so, aber das gehört hier, glaube ich, nicht hin …
    Stattdessen sollten wir bei der Frage bleiben, hinter welchen großen Gestalten unserer Zeit eigentlich noch eine Mutter steckt, ohne dass es die Kinder oder gar wir alle ahnen. Kommen wir zunächst zu den naheliegenden Figuren: Der Weihnachtsmann und das Christkind scheinen mir in aller Regel Mütter zu sein (Männer tauchen hier allenfalls als ausführende Organe auf, etwa wenn sie als verkleideter Weihnachtsmann auftreten, verständnislos blickend einem hingenuschelten Kindergedicht lauschen, mit erheblicher Mühe das richtige Geschenk aus dem Sack ziehen und die
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