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Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Titel: Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
Autoren: Tillmann Bendikowski
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Lindenberg just an jenem Tag 65 Jahre alt geworden war. Aus dessen reichhaltigem Repertoire an kindgerechten Weisen fiel mir nur die Geschichte des guten alten Riverboats und seiner wackeren Mannen ein: »Es ist alles im Lot auf dem Riverboat, und jetzt fahren wir los nach Cuxhaven« – die Jungs waren begeistert! »Die Sklaven im Keller, die rudern los, sie sind frisch und ausgeschlafen …« – erstes begeistertes Quietschen der Jüngsten war zu hören, der Sechsjährige forderte umgehend und vielfach: »Noch mal!«
    Was soll ich sagen? Es wurde ein harmonischer Abend, mit den ausgeruhten Sklaven und dem gutmütigen, aber sturzbetrunkenen Kapitän Zäsar Zechmann und allem Drum und Dran. Als die Kleinen fast eingeschlafen waren, wagte ich es: »Wind Nord-Ost, Startbahn null drei …« Und alles war wieder gut. Danke, Udo. Danke, Reinhard. Bleibt nur zu hoffen, dass wir alle den nächsten runden Geburtstag von Rolf Zukowski unbeschadet verschlafen.

SOZIALES NETZWERK KINDERGARTEN
    Wenn ich mich recht erinnere, las ich einmal in einem Reiseführer über Finnland den erhellenden Hinweis, dass die Finnen am liebsten betrunken in einer dunklen Sauna sitzen und über den Tod nachdenken. Es mag nicht überraschen, dass mich diese Vorstellung lange Zeit eher befremdet hat. Aber mit der Zeit beschlich mich die Frage, was wir Deutschen mit unserer Mentalität diesem kollektiven Verhalten der skandinavischen Brüder und Schwestern Adäquates entgegenzusetzen haben. Erst nach einigen Jahren Kindergarten-Erfahrung dämmerte mir, dass es hierzulande durchaus einen wunderhübschen Brauch gibt, der eine vergleichbare Wirkung zeigt: In den meisten Betreuungseinrichtungen gibt es nämlich wiederkehrend Elternabende, an denen das Thema »Elternbeteiligung« diskutiert wird, vorzugsweise in Kindergärten, die von einem Verein getragen werden. Solche Abende (stellen wir uns einen kalten, verregneten Novembertag vor) haben zuweilen finnische Qualitäten, wenn man einmal großzügig davon absieht, dass weder Finnisch gesprochen wird noch jemand betrunken ist (beides würde die Situation vermutlich tendenziell sogar entspannen). Was also macht die unverwechselbare Qualität solcher Veranstaltungen aus? Es ist das bewusste, das gewollte Leiden für den Kindergarten. Schauen wir genauer hin:
    Grundvoraussetzung für einen solchen gelungenen finnischen Abend ist die Unzufriedenheit einzelner Eltern (»Wer schreibt übrigens freiwillig Protokoll?«). Gerne geht es dabei um die Nichtableistung von eigentlich fest zugeteilten Elterndiensten – jemand hat den Garten nicht ausreichend gepflegt, der Festausschuss wartet immer noch auf verbindliche Mitteilung, wer zur Weihnachtsfeier welchen Salat zubereitet, und die Elternkasse ist wieder einmal nicht anständig gefüllt (»Leute, denkt doch bitte daran, r e c h t z e i t i g euern Beitrag abzuliefern«). Richtig bunt wird es, wenn das letzte gemeinsame Fest nachbesprochen oder das kommende geplant wird. Früher war ich – aber da fehlt es mir als Mann an der notwendigen gedanklichen Komplexität – der Meinung, so ein Fest sei eine prima Sache und eigentlich ganz leicht auf die Beine zu stellen: Man macht halt mehr oder weniger ein Fass auf, lädt seine Kumpels ein, und jeder bringt noch was zu essen mit. Und Musik machen wir dann irgendwie selber – war doch immer lustig, oder?
    Mein Vorschlag, auch eines der Kindergartenfeste einmal auf diese Art und Weise vergleichsweise unkonventionell vorzubereiten (»Kiste Bier, ordentliches Lagerfeuer und ein paar Würstchen«), stieß auf mütterliches Kopfschütteln. Für viele, viele andere ebenfalls starke Gegenargumente stand der Hinweis: »Wenn hier jeder macht, was er will, dann haben wir viermal den gleichen Kuchen, aber keinen Waffelteig.« Ich Schussel! Das hätte ich wirklich ahnen müssen! Viermal den gleichen Kuchen, um Gottes willen – wenn man nicht aufpasst, kann das Leben so verdammt gefährlich sein. Und ich dachte bislang: Weil bei solchen Festen so penibel darauf geachtet wird, dass es möglichst viele unterschiedliche Kuchen gibt, essen die lieben Kleinen geradezu reflexhaft von jedem dieser mütterlichen Prachtexemplare ein ordentliches Stück, was nicht nur zu äußerst heftigem Drängeln an der sorgsam organisierten Kuchenausgabe führt (»Wer macht dieses Jahr die Coupons?«), sondern auch dazu, dass der Nachwuchs sich spätestens in der Nacht erbrechen muss und noch den gesamten kommenden Tag Bauchschmerzen hat.
    Aber
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