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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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Ufer, ragte ein Haufen von Ästen und Schlamm aus dem Wasser, ein kleiner Hügel, fast drei Meter hoch. Anfangs war Brian ratlos, was dies sein mochte. Dann aber erinnerte er sich: Hatte er so etwas nicht schon im Kino gesehen? Nicht weit von dem Hügel entfernt tauchte ein kleiner brauner Kopf aus dem Wasser auf und begann, eine weite Bugwelle nach sich ziehend, am Ufer entlangzuschwimmen. Tatsächlich – es war ein Biber, der seinen im Wasser kunstvoll aufgeschichteten Bau verlassen hatte.
    Jetzt sprang ein Fisch. Kein großer Fisch, aber er klatschte mächtig, als er wieder ins Wasser eintauchte. Wie auf ein Zeichen begannen jetzt überall auf dem L-förmig gestreckten See die Fische zu springen – es klatschte und spritzte von allen Seiten. Hunderte mochten es sein, die sich mit hurtigem Flossenschlag aus dem Wasser schnellten. Welch ein Schauspiel!, staunte Brian und seine Gedanken wanderten zurück in die Stadt, wo er zu Hause war. Grau und schwarz waren dort die Straßen, die Fassaden der Hochhäuser – während hier die Natur in leuchtenden Farben prangte. Und die leisen Geräusche der Blätter im Wind, der springenden Fische im Wasser vermischten sich mit Erinnerungen an tosenden Verkehrslärm in der Stadt, an das Geschwätz der Menschen, an das ewige Dröhnen hektischen Lebens.
    Welche Stille dagegen hier, in der Wildnis. Doch was Brian anfangs als geheimnisvolle Stille erschien, entwirrte sich – als er aufmerksamer lauschte – als ein vielstimmiges Konzert leiser Stimmen. Da zischte und blubberte es, kleine Wellen plätscherten gegen Ufersteine, Vögel zwitscherten, zahllose Insekten summten im Sonnenlicht und die Fische sprangen. Doch, es gab tausendfältige Geräusche hier – aber Geräusche, die Brian nicht kannte.
    Und die Farben!, dachte er. Überall leuchtendes Grün, tiefblaues Wasser, wo sich ein endloser Himmel spiegelte – eine Symphonie der Farben, die Brian zu hören glaubte wie den beharrlichen Puls seines Blutes.
    Er war müde.
    So müde und kraftlos. Die wenigen Minuten, die er aufrecht stand und sich umschaute, hatten ihn ausgelaugt. Es ist der Schock nach dem Flugzeugabsturz, dachte er. Und er spürte den Schmerz, die Betäubung, das unheimliche Schwindelgefühl.
    Mühsam tappte er am Ufer entlang bis zu einem anderen Baum – einer hohen Fichte mit nacktem Stamm, deren Äste erst weiter oben eine schlanke Krone bildeten. Den Rücken gegen die raue Borke gelehnt ließ er sich in die Hocke gleiten und starrte hinaus auf den See, während die Strahlen der Mittagssonne in seine geschundenen Knochen eindrangen. Sekunden später war Brian eingeschlafen.

5
    Mit einem Ruck aus tiefem Schlaf erwacht, riss er die Augen auf und sah sich um. Und was er sah, war von unbarmherziger Klarheit.
    Er hatte Durst. Unglaublich brennenden Durst. Die Zunge klebte ihm an den Zähnen, die Lippen waren rissig aufgesprungen und blutverkrustet. Nur ein Schluck Wasser!, dachte er. Sonst würde er verdorren und verdursten. Nicht nur ein Schluck – er brauchte Wasser, so viel er trinken konnte. Er wusste, er war in Gefahr!
    Er glühte am ganzen Körper und spürte den Sonnenbrand im Gesicht. Es war Nachmittag, und während er schlief, hatte die Sonne auf ihn niedergebrannt, ihn versengt und geröstet. Sein Gesicht glühte wie Feuer, die Haut würde Blasen werfen und sich schälen, was den Durst noch viel schlimmer machte.
    Brian stand auf und zog sich am Baumstamm hoch, unter dem er geschlafen hatte. Immer noch schmerzten ihm alle Knochen. Vor ihm lag der See – jede Menge Wasser. Er wusste nicht, ob man es trinken konnte. Niemand hatte ihm gesagt, ob es gefährlich sei, das Wasser aus einem See zu trinken. Brian musste an den Piloten denken. Die Leiche, im Cockpit des Flugzeugs angeschnallt, in blauer Tiefe. Schrecklich! Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Aber der See war verlockend, das Wasser schien frisch und Brians Kehle brannte vor Durst. Er wusste nicht, ob er hier, in der Wildnis, anderes Trinkwasser finden würde. Auch hatte er literweise Wasser geschluckt, als er sich aus dem Flugzeug befreite und ans Ufer schwamm. Im Fernsehen sah man immer den Helden des Films, wie er sich über eine klare Quelle beugte, um zu trinken. Aber im Fernsehen stürzten keine Flugzeuge ab. Da hatte der Held keine Beule am Kopf, keine schmerzenden Knochen und keinen Durst, der ihn in Stücke riss.
    Mit kleinen, vorsichtigen Schritten tappte Brian die Böschung hinunter, zum See. Schlick und Schlingpflanzen säumten
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