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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst
Autoren: Louise Millar
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Biogurke klein. Sie konzentrierte sich ganz auf die Schale mit den ungleichmäßigen Rillen, damit sie nicht dem Drang nachgab, Jez zu folgen. Erschrocken bemerkte sie, dass Peter sie stumm beobachtete, einen finsteren Ausdruck in seinem sanften Gesichtchen. Von ihren drei Jungs war Peter das Sensibelchen. Er stand am Rand, wenn Otto und Henry sich als Erste auf ihr Lieblingsspielzeug stürzten, er streichelte zart über Suzys Arm, wenn seine Brüder einander bissen und traten. Zum Zeichen, dass alles in Ordnung war, blies sie ihm ein Luftküsschen zu. Dann deckte sie Teller auf und fixierte mit starrem Blick das Pünktchenmuster im blauen Plastik.
    Drei Teller für ihre Jungs, dazu vorsorglich einen für Rae, falls sie zum Essen bleiben wollte. Mochte Rae Frikadellen? Ja, sie mochte Frikadellen, was sie nicht mehr mochte, waren Würstchen …
    Wie konnte Jez so etwas sagen?
    Sie stellte den Krug ab und zielte mit der Fernbedienung auf den Flachbildfernseher an der Wand. Innerlich verfluchte sie sich, weil sie ihre eigene Regel brach, die Kinder unter der Woche nicht fernsehen zu lassen; sie zappte durch die Programme, bis sie den
Postboten Pat
gefunden hatte. Die Jungs blickten erstaunt zur Wand.
    »Mummy geht Pipi machen«, erklärte sie strahlend. »Bin gleich wieder da.«
    Verstohlen schaute sie sich um, ob ihr die Kleinen auch wirklich nicht folgten, und stieg auf Zehenspitzen die Treppe in den zweiten Stock hinauf, ins Dachgeschoss, das Jez zu seinem Büro ausgebaut hatte. Die Tür war zu.
    Sie drückte die Klinke herunter und gab der Tür einen leichten Schubs.
    Sie drehte sich in den Angeln und gab den Blick frei auf Jez, der am Computer saß. Die Wand vor ihm war mit Diagrammen und Skizzen gespickt, deren Sinn sich Suzy verschloss – abgesehen vom Geld, das auf ihr Konto floss. Sie fragte ihn schon längst nicht mehr, er solle ihr doch seine Arbeit erklären. »Ich möchte einfach verstehen, was du tust, Honey, damit ich für dich da sein kann, wenn du Unterstützung brauchst.« Das bringe nichts, hatte er nur erwidert. Er würde es ihr schon mitteilen, wenn es Probleme gäbe.
    Jez trug immer noch die Hose des grauen Paul-Smith-Anzugs und das anthrazitfarbene Hemd, die er für sein Meeting in der City angezogen hatte. Aber auch ohne Kundentermine war er stets perfekt gekleidet. Er schwang herum und sah sie an. Der lederne Drehsessel ächzte unter den fünfundneunzig Kilo, die er bei seiner stattlichen Größe von einem Meter neunzig auf die Waage brachte. Stattlich wirkte Jez in jeder Umgebung. Sogar unter den Männern von Suzys Heimatstadt im Mittelwesten hatte er sich behauptet, Männer mit riesigen Cowboyhänden, die von Montag bis Freitag im Anzug im Büro saßen und an den Wochenenden in den Bergen auf die Jagd gingen. Mit ihnen hatte Jez Schulter an Schulter am Tresen gestanden, und wenn sie freundlich über seinen englischen Akzent spotteten, konterte er mit einem trockenen Humor, der ihm schnell einen Schlag auf die Schulter und so manchen Bourbon eingebracht hatte.
    Bei diesem Mann, der so viel Kraft besaß, hatte sich Suzy damals geborgen gefühlt. Sie hatte nie daran gedacht, wie es wäre, ihn zum Feind zu haben.
    »Was ist los?« Er ließ ihren Blick an ausdruckslosen Augen abprallen.
    Was glaubst du denn, was los ist, hätte sie am liebsten gefragt. Aber sie waren schon jenseits aller Worte.
    Deshalb entschied sie sich spontan für etwas anderes.
    Sie griff sich in den Rücken und hakte unter dem Kleid ihr Bikini-Top auf.
    Jez sah ihr zu. Es dauerte einen Moment, bis er begriff.
    »Nein … also wirklich«, sagte er barsch, schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Ein müdes Lächeln zeigte ihr, wie absurd er die Idee fand.
    Die Abfuhr saß wie ein Stachel. Aber es war zu spät. Suzy ging zu Jez hinüber, fasste ihn an der Schulter und drehte ihn samt Ledersessel zu sich herum.
    »Nein! Im Ernst – verschwinde!« Aus seiner Stimme verschwand jeder Humor; seine harten Muskeln befreiten sich mit Leichtigkeit von ihren Fingern.
    Aber sie war nur einen halben Kopf kleiner als er, und bevor er sie daran hindern konnte, hatte sie ihr langes Bein um ihn geschlungen und streckte ihm ihre Brust ins Gesicht, damit er sie nicht wegschieben konnte.
    »Suzy!«, knurrte er verärgert. »
Hör auf.
Ich will nicht. Lass mich in Ruhe.«
    Wie konnte sie jetzt aufhören? Sie schluckte die Kränkung hinunter, zog an seiner Hand und versuchte, sie durch den Ausschnitt unter ihr Bikini-Top
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