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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst
Autoren: Louise Millar
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ihm ins Ohr und drückte ihn fest an sich. Sein kleiner, mit knuddeligem Babyspeck gepolsterter Körper entspannte sich langsam. Seine Finger lösten sich. Suzy küsste sie sanft; sie rochen nach dem salzigen Schweiß der Erschöpfung und nach weißen Bohnen in Tomatensoße. »Mein wunderschöner kleiner Prinz«, murmelte Suzy. Wenn sie ihn so im Arm hielt, wurde in ihr eine schmerzhafte Sehnsucht nach noch mehr Kindern wach. Ein Mädchen diesmal. Ein Mädchen, das Nora heißen und Sommersprossen haben würde wie Suzy als Kind, und dazu strohblonde Haare, nicht das tiefe Dunkel von Jez’ dominanten englischen Oberschichtgenen.
    Otto wischte die Nase an Suzys T-Shirt ab, markierte es mit Rotz als sein Territorium und wimmerte kurz.
    »Schon gut, Süßer«, flüsterte sie und schmiegte ihre Wange gegen sein feuchtes Pausbäckchen. »Du bist müde.«
    »Hmmm«, nickte er. Sie setzte ihn wieder auf dem Boden ab und seufzte vor Befriedigung, weil sie ihn verstanden hatte. Sie sah ihm nach, wie er Peter hinterher in die Küche tapste, dass seine rabenschwarzen Locken wippten.
    Die Nachmittagssonne schien durch die Glaswand, die die ganze Rückseite des Hauses einnahm, und setzte Suzys italienische Küche glanzvoll in Szene. Die Jungs kletterten auf das Riesensofa. Suzy liebte diesen Raum. Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wie es hier ausgesehen hatte, als das Erdgeschoss noch aus mehreren engen, kleinen Zimmern bestand. Sie hatte gedacht, Jez machte einen Witz, als er ihr den Preis des Hauses nannte. Dafür kriegte man in Colorado eine kleine Ranch. Dann erklärte er, der Verkäufer habe gerade die Baugenehmigung für das Zusammenlegen der Räume und einen Anbau hinten erhalten – genau zu dem Zeitpunkt, als er und seine Freundin beschlossen hatten, sich zu trennen. Plötzlich erkannte Suzy das Potential des Hauses: ein riesiger Familienraum mit vielen Spielsachen und den neuen Freunden, die sie in London finden würden, und sie würde allen große, dampfende Teller Pasta servieren, die Kinder würden herumlaufen und spielen, sie und Jez würden gemeinsam eine Flasche Wein entkorken. Jez hatte recht gehabt. Der Raum war gelungen.
    Nur hielt sich Jez in letzter Zeit selten darin auf.
    Suzy holte aus einer Schublade im Küchentisch Papier und Filzstifte, legte sie auf den Tisch und für Otto und Peter einen Keks und ein Glas dazu. Sie küsste die Jungs und half ihnen die Stühle hinauf. Dann schaltete sie den Herd an, holte aus dem Kühlschrank ein Blech Frikadellen, die sie vormittags zubereitet hatte, und wusch sich die Hände.
    Da sah sie es.
    Schon wieder!
    Auf der Arbeitsplatte aus Quarz lag eine Zeitung ausgebreitet, daneben stand ein weißer Becher, in dem ein schlammiger, vom Kaffee hinterlassener Wellensaum klebte. Ringsherum lagen Brösel. Die Spuren eines Sandwiches, das Jez ohne Teller und ohne jeden Gedanken an die Person gegessen hatte, die hinter ihm herräumen würde.
    Verstreute Schuhe, Sakkos, Becher, Brösel. Rasierschaum im Waschbecken. Nicht abgelassenes Wasser in der Badewanne. Eine Flasche Olivenöl ohne Schraubdeckel. Ein Haus, in dem Jez lauter Zeichen hinterließ für das, was er nicht sagen wollte.
    Suzy presste die Zähne aufeinander, ihre Kiefer malmten. Sie faltete die Zeitung zusammen und legte sie in die Altpapierkiste. Sie und die Jungs blickten hoch, als sie auf der Treppe schwere Schritte hörten, die sich der Küche näherten. Jez füllte die Tür wie eine dunkle Wolke, aus der gleich der Regen niederprasseln würde.
    »Hi – schönen Tag gehabt, Jungs?«, brummte er schroff. Peter lächelte schüchtern, Otto begann wieder zu quengeln. Jez warf seiner Frau einen kurzen Blick zu, dann sah er sich in der Küche um.
    »Ich kann das Ladegerät für das Handy nicht finden.«
    »Ich hab’s dir wieder auf den Schreibtisch gelegt«, informierte sie ihn kühl und nahm Otto auf den Arm, um ihn noch einmal zu knuddeln. »Ich musste den Wasserkocher einstecken.«
    Er zog die Augenbrauen hoch und machte sich daran, die Küche wieder zu verlassen.
    Sie konnte sich die Frage nicht verkneifen: »Möchtest du, dass ich den da auch noch wegräume?« Sie nickte zu seinem schmutzigen Kaffeebecher hinüber.
    Er schwieg kurz, dann zuckte er mit den Achseln. »Dann lass ihn eben stehen.«
    Sie drückte Otto enger an sich, wie einen Schutzschild.
    »Alles klar, kleiner Mann?«, sagte Jez zu Otto und fuhr ihm durch die Haare, als er wieder zur Tür hinausging.
    Sie setzte Otto ab und schnitt eine
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