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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition)
Autoren: Terézia Mora
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ihnen für alles das auflauern, einpaar verabredeten sich in einer bestimmten Straße, aber keiner erschien. Damit war das gestorben.
    Anfangs redeten sie auch noch über Abels Interessen: Raumfahrt und Technologie, doch all das ist Kinderkram verglichen mit der Einen Großen Frage. Allerdings, nach fünf Jahren, es war ihr letztes gemeinsames Schuljahr vor dem Abitur, das letzte, das sie in der Stadt verbrachten, waren auch Ilia die Worte ausgegangen. Sie gingen praktisch stumm nebeneinander her. Ich weiß immer noch nicht, wo lang. Abels Vorstellungen von der Zukunft drehten sich ebenfalls im Kreis. Genauer, er machte sich überhaupt keine Vorstellungen. Sprachen und Mathematik, damit kann man noch alles werden. Im Moment gab es andere Dinge. Körper. Ilias war schmal, nicht besonders groß, aber auch nicht schwächlich. Manchmal, wenn sie so an einer Kreuzung standen, kratzte er sich an der Nase. Das Brillengestell klapperte. Die Haare glänzten feucht. Er hatte schöne Hände. Das war alles, was von ihm zu sehen war. Gesicht, Hände. Weil er um soviel größer war, zog Abel die Schultern ein, wenn er neben ihm herlief, er kam sich ungeschlacht vor im Vergleich zur inneren und äußeren Wohlproportioniertheit seines Freunds. Er stellte ihn sich als Geistlichen vor, mit der dazugehörigen Geistlichenfrau, und musste husten.
    Sie standen an einer Kreuzung in der Nähe des Bahnhofs. Abel hustete.
    Dieses letzte Jahr hatte begonnen wie die Jahre zuvor. Man eröffnete mit Mitteilungen über Preiserhöhungen, denen über die nächsten Monate weitere folgten. Anfang April gab es erste Proteste, wenn auch nicht hier. Man munkelte, wie schon seit Jahren, über eine latente Krise im Land, wenn auch nicht hier. Das Identitätsbewusstsein der Minderheiten regte sich. Ilia und Abel regten sich nicht.
    Die Kreuzung am Bahnhof war ein T. Rechts oder links. Im Grunde war es egal. Beide Richtungen führten irgendwann nach Hause. Im alten Kern der Stadt legten sich die Ringstraßen wie Zwiebelhäute umeinander, um sich schließlich am Hauptplatz zu treffen. Lange passierte nichts. Dunkel wurde es. Die Straßen leerten sich. Die Hunde heulten. (Dieses Hundegeheul. Ausgerechnet daran wird er sich immer erinnern. Dieser gruselige, heimische Ton.) Dann war’s wieder still und plötzlich überfiel Abel diese Sehnsucht, und er sagte in die Stille hinein:
    Ich liebe dich.
    Ich weiß, sagte Ilia ohne Verzögerung, sachlich, wie er immer alles sagte. So fuhr er fort. Er wisse es, und er lehne es ab. Er empfinde sogar etwas körperlichen Ekel, wenn er daran denke. Deswegen werde er gleich nach dem Abitur Stadt und Land verlassen. Er werde im Ausland studieren und keinen Kontakt zu Abel halten.
    Er muss es schon seit Monaten gewusst haben. Man muss sich früh bewerben. Seit Monaten war jede seiner Regungen eine Lüge. Was er sagte, die üblichen Sachen, wie er sie sagte, der Klang seiner Stimme, sogar wie er sich bewegte. Wenn er stehen blieb und wenn er weiterging. Lüge.
    Abel ließ sich gegen die rauhe, warme Wand hinter sich fallen. Lehnte an der Wand, im eigenen Geruch sommergewärmter Wände an befahrenen Stadtstraßen, er spürte ihn heraus- und heraufsickern, den Hundegeruch. Weinen müsste man können. Es war dunkel, sie standen in der Nähe einer Laterne, Abel lehnte an der Wand, weinte nicht, Ilia stand daneben, wartete oder nicht, stand nur da, schaute irgendwohin, den Kopf zur Seite geneigt. Pharisäer, dachte Abel, merkte, wie er ihn zu hassen begann und dass er wirklich wird weinen müssen: über diesen Hass. Dass er da ist. Der, dem die innere Marter bis dahin unbekannt war, lernte sie an dieser Straßenecke kennen. Was Zeichen anbelangt, war es vielleicht nicht so eine üppige Ernte, aber an Lebenserfahrung ist man sicher nicht ärmer geworden.
    Das ist alles. Das Nächste ist, dass Herbst ist, und Abel flieht. Kurz nach diesem letzten Spaziergang brachen Kämpfe aus, als hätte man nur darauf gewartet, dass endlich Ferien sind.

Protokoll
    Bleib zu Hause, hörst du, sagte Mira am Telefon. Geh nicht weg. Er könnte jeden Augenblick auftauchen. Vielleicht schon morgen.
    Ist gut, sagte Abel. Ich werde auf ihn warten.
    Nahm seine Jacke und ging hinaus. Und sei es die Nacht vor dem wichtigsten Termin der letzten Jahre, nach so etwas , das ist verständlich, muss man wohin. Der Laden am Ende der Sackgasse heißt Klapsmühle.

    Was für eine Erklärung kann der Besitzer des Nachtclubs »Klapsmühle«, Thanos N. (Was ist das für
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