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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition)
Autoren: Terézia Mora
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Glasboden verschwimmend. Eine eingestanzte Zahl: 1034. Dann war alles weg.

    Tunne sa belesi houkutenel smutni filds .
    Was? fragte der Engel. Abel hatte ihn am Knöchel gefasst. Wie gut, dass er gerade vorbeigekommen war. Das Lockenhaar war ihm etwas auf das vergoldete Ohr gerutscht. Er sah aus großer Höhe herab. Der brabbelnde Typ, der seinen Knöchel nicht losließ, schüttelte nur den Kopf.
    Was ist mit ihm?
    Die Tanzenden rissen Thanos die Toga von der Schulter, sie fiel in Abels Gesicht, oder nein, in den Nacken, sein Kopf hing inzwischen nach unten. Thanos zog die Toga weg, hockte sich hin, die Lederhose quietschte, er nahm den hängenden Kopf in die Hände. Große schwarze Pupillen, taumelnd, Holunderbeeren in einem rötlichen Sud. Nicht sterben, nur nicht sterben.
    Er stirbt schon nicht von einem bisschen Süßstoff.
    Was …?
    Das war doch nur ein ehrlicher Scherz, mehr nicht, ich weiß auch nicht, was er hat.
    Meinen besten Stammkunden umzubringen, rate ich dir nicht.
    Absichtlich oder nicht, er hielt Abel mit den Händen die Ohren zu. Das ist gut, dachte Abel und verlor das Bewusstsein.

    Süßstoff, was? Und wie erklären Sie sich, dass fast alle, die, wissentlich oder nicht, so eine Pille genommen hatten, Symptome eines psychedelischen Rausches zeigten? Inklusive Zeitgefühl- und Gedächtnisverlust.
    Verlusts.
    Bitte?
    Nichts.

    Als Abel das nächste Mal die Augen öffnete, saß er nicht mehr auf der Bank, und auch nicht mehr auf dem Boden davor, wohin er zum Schluss gerutscht war. Er lag in einem unbekannten Raum. Wände, Boden, Decke rot, die Luft heiß und pudrig. Ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor hier gewesen zu sein. Ich kann mich erinnern, niemals zuvor hier gewesen zu sein. Er griff um sich: die Finger verschwanden bis zum ersten Glied in Plüsch. Er tastete sich bis zu einer Tür vor. Dahinter: ein Korridor mit weiteren Türen. Entweder ist er sehr lang, oder ich komme sehr langsam voran. Rundherum Stöhnen, Ächzen, Hämmern, Mahlen, aber zu sehen war niemand. Einmal verfing er sich mit der Fußspitze im Boden, stolperte, fiel gegen eine Wand, nicht weiter schlimm, er sank nieder. Das war wieder die Ausgangsposition. Nicht ganz. Neben ihm ein sichtbares Paar, ein Mann und eine Frau. Sie kopulierten. Abel tat so, als sähe er ihnen zu. Der Mann legte seine Wange an die der Frau. Wange an Wange sahen sie zu ihm zurück, ein zusammengewachsener Kopf. Später rappelte sich Abel wieder auf. Hinter einer Tür gab es einen winzigen Raum, in dem Menschen standen wie Besen. Oder umgekehrt. Hinter der nächsten: ein Spiegel. Porträt des Künstlers als Totenschädel. Plötzliche Zugluft riss ihm die Tür aus der Hand. Zu. Ein bekränzter, dicker Cäsar ging vorbei, das Schulterstück seiner Toga wehte, die Lederhose quietschte. Schon war er weg, hinter einer (welcher?) Tür verschwunden, nur sein Geruch war geblieben. Hier war es nicht mehr so heiß. Das macht etwas wacher. Und der Lärm. Das Stampfen von Maschinen und eine unendliche Tonleiter, die in den Himmel orgelt. Da muss ich hin.
    Vor ihm tasteten sich nackte Arme durch die Korridore. Sehen aus wie meine. Er sah an sich hinunter und stellte fest, dass nicht nur die Arme nackt waren, sondern auch die Schultern, die Brust, der Bauch. Wenig später sah er, dass ihm nicht nur Sakko und Hemd, sondern auch Schuhe und Socken fehlten. Sein einziges verbliebenes Kleidungsstück war eine schwarze Hose. Er machte kehrt, zurück an die Stelle, an der er gelegen hatte, nur einmal um die Ecke, tastete den Untergrund ab, vielleicht bin ich ja blind geworden, aber: nichts. Möglicherweise hatte er sich doch im Raum geirrt, denn auch das nackte Paar von vorhin war nicht mehr da. Er ging weiter zurück, Flure, Türen, Räume, konnte weiter nichts finden, durchwühlte die Köpfe einiger Möpe – für einen Augenblick glaubte er, dort könnte sich sein Hemd befinden, dann sah er, dass er graue Zotteln zwischen den Fingern hielt –, der darin gesammelte Schmutz schmierte auf seine Finger ab. Obwohl er jetzt tiefer im Labyrinth war als je zuvor, wurde das unbändige Gebrüll um ihn herum nur noch lauter. Die Maschinen wummerten in seinem Bauch. Er machte abermals kehrt, hinaus, Thanos suchen, fragen, was das soll, wieso bin ich halb nackt und wo sind die vergangenen Stunden geblieben?

    Es sollte nur ein Scherz sein, hat er gesagt.
    Wer?
    Der Engel.
    Ein als Engel verkleideter Nackter?
    Ja.
    Ein Scherz.
    Ja.
    Im Blut der Testpersonen nachgewiesen:
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