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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition)
Autoren: Terézia Mora
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verschwand in der Seitenstraße. Blieb nur noch das Auto mit dem nackten Paar. Der Mann stieg aus, ging auf die Polizisten zu, vor die Brust gehobene Handflächen, blödes Grinsen. Unauffällig an der Wand entlang schob sich A.N. an den Blaulichtern vorbei. Als er seine Haustür aufschloss und zurückblickte, sah er seine Spuren aus Zement und Blut auf der Straße: weiße Hacken, rote Zehen.

    Was den Aufenthaltsort des angeblichen Engels anbelangt, darüber kann sich der Wirt Thanos nicht äußern. Aber wo du auch bist, ich werde dich finden und dann werde ich dir den Arsch aufreißen. Wegen deines blöden Scherzes hat man mir den Laden geschlossen. Denn die einen hatten zwar nur Süßstoff im Drink, aber die anderen waren vollgestopft mit einem Dutzend verschiedener Stoffe, die sie weißgott woher mitgebracht haben, der DJ allein hatte drei.
    Soviel, im Wesentlichen, zu Abel Nemas Wochenende.

Mercedes
    Verglichen damit war Mercedes nichts Spektakuläres widerfahren. In letzter Zeit ist es überhaupt so schön still um mich geworden. Die Woche vor dem Scheidungstermin verbrachte sie größtenteils allein. Omar war in einem Sommerlager, mit ihm zog die halbe Stadt hinaus. Es gab Parkplätze. Sie hörte sich den Sommer durch das geöffnete Fenster an, die Geräusche des nahen Parks. Es schienen nicht wenige dort zu sein, nur hier, wenn man hinaussah, war niemand unterwegs. Mercedes wohnt in einer dieser netten Straßen, mit je einer Reihe Laubbäume auf jeder Seite. Die Blätter blinkten. Es war schön.
    Am Samstag stand sie, wie üblich: früh auf, Vögel zwitscherten, sie machte ihre gewohnte Runde durch die Wohnung. Schlafzimmer, Omars Zimmer: leer, das heißt: mit Sachen voll, aber ohne ihn. Die Sachen hatte Mercedes dort hingestellt, wo sie jetzt waren, Omar ist so etwas wie Wohnen egal. Das Einzige, das er eigenhändig angebracht hatte, waren zwei Bilder über seinem Bett: die Farbsonographieaufnahme eines Gehirns und die einzige Zeichnung, die er je mit Hilfe eines Kreisels und eines Lineals hergestellt hatte: ein Quadrat in einem Kreis in einem Quadrat in einem Kreis und so weiter. Wenn man ihn fragt, was das sei, antwortet er: Ein Kreis in einem Quadrat in einem Kreis in einem - - - (Omar ist ein kluges Kind. Ein Geburtsfehler. Wenn man ihn fragt, wo er sein linkes Auge gelassen habe, antwortet er: Ich habe es hingegeben für Weisheit.)
    Mercedes ging weiter ins Badezimmer, warf, wie zu erwarten, einen Blick in den Spiegel. Standardhöhe. Ihr Kopf am unteren Rand, quasi auf dem Tablett. Zwei etwa gleich abgenutzte Zahnbürsten ragten ins Bild: eine rote, eine grüne. Sie entschied sich für ihr e: die rote. Während sie sich die Zähne putzte, fixierte sie einen beginnenden Pickel auf ihrer Nasenspitze. Drückte ihn aus, öffnete seine Hälfte des Spiegelschrankes, desinfizierte die Wunde mit After shave. Anschließend tauschte sie den gebrauchten Einwegrasierer gegen einen anderen aus, Pflaster, Aspirin mit üblichen Gebrauchsspuren waren noch genug da. Obgleich das jetzt wohl keine Rolle mehr spielt. Sie warf die Tür wieder zu, der Spiegel bebte.
    Mit seinem Geruch dicht an der Nase durchs Wohnzimmer, in die Küche, einen Tee machen, zurück ins Wohnzimmer. Auf der Kommode zwischen den beiden kleinen Holzstatuen – einem afrikanischen Denker und zwei hellen, langfingrigen Händen – die Familienfotos: Omar, Omar und seine Mutter, Omar und sein Stiefvater, Hochzeitsfoto. Sie stellte die Tasse hin und rief die Notfalltelefonnummer von Omars Lager an, legte aber gleich wieder auf, denn kaum hatte sie zu Ende gewählt, hob draußen ein Lärm an, bei dem jedes Wort vergeblich gewesen wäre.
    Jeden Tag um Mittag, sowie an Sonn- und Feiertagen quasi permanent – 7:50, 8:15, 9:50, 10:15, 11:05, 12:00, 12:20 und so weiter – versteht man im Park und seiner Umgebung für jeweils eine Viertelstunde sein eigenes Wort nicht. Die beiden Kirchen am Park läuten die Glocken. Die katholische Kirche im Süden beginnt, die reformierte im Norden schließt sich mit etwa drei Minuten Verspätung an. Es ist laut. So laut, wie es mitten in der Stadt nicht sein dürfte. So laut, dass einem die Gedanken aus dem Kopf und die Dinge aus den Fingern fallen. Für eine Viertelstunde hört jeder auf zu tun, was er gerade tut. Parkbesucher, Musikschüler, Nervenkranke, Verwandte auf Besuch, Altenheiminsassen, Obdachlose, Ehefrauen lassen die Hände sinken, sitzen benommen da unter diesem himmelhohen Brimborium. Später, es war schon
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