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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition)
Autoren: Terézia Mora
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ein Name? Ein griechischer. Das Gegenteil von Thanatos) Polizei und Medien bezüglich der Vorkommnisse liefern, die sich an diesem Sonntag in seinem Etablissement abgespielt haben?
    Keine.
    Sie würden also sagen, das war ein ganz alltäglicher Abend?
    Kommt drauf an, was man darunter versteht.
    Klugscheißer.

    Das Motto des Wochenendes war: Eine Orgie im alten Rom.
    Orgie .
    Ja.
    Der größte Run war natürlich am Samstagabend, aber das ging nahtlos in den Sonntag über, wir haben die Bar gar nicht geschlossen, obwohl sich der Dreck schon türmte, und zwischendurch sauber machen geht bei den Massen nicht (Können wir das bitte streichen?), dafür gibt es den Montag und den Dienstag als sogenannte Ruhetage, wenn wir solange leben.
    Das ganze Wochenende also quasi ununterbrochen Autos, Stöckelschuhe, Tammtamm. Die Vorhöfe waren so voll wie der Laden selbst, zumindest hörte es sich so an, sehen kann man nicht viel. Die Klapsmühle befindet sich im dritten Hinterhof einer ehemaligen Getreidemühle, in den ersten fällt noch etwas Licht von der Straße, aber im zweiten ist es schon so zappenduster, dass er als dark room durchgeht (Können wir das bitte…?), und im dritten hatte die einzige Lampe, eine rote über der Tür, einen Wackelkontakt. Die Leute im dritten Hof blinkten rot auf und verschwanden wieder im Schwarz, und wenn sie wieder auftauchten, waren sie ganz anders zusammengestellt.
    Wann Abel N. im dritten Hof ankam, weiß man nicht. Irgendwann stand er eben da, an eine der Eisenstangen gelehnt, die das klapprige Vordach über dem Eingang hielten, und tat: gar nichts. Später ging die Stahltür zur Kneipe auf, noch mehr rotes Licht und Hitze schlug heraus und, von null auf hundert, schier unglaublicher Lärm. Der dicke, kahlköpfige Riese in der Tür ist Thanos, in enge Lederhosen gepresst, mit einer aus einem Laken gefertigten Toga über den schwarz behaarten Männertitten. Im ganzen Lärm war gar nicht zu verstehen, was er sagte.
    Ich sagte: Die Party hat ein Motto. Entweder habt ihr ein Kostüm an oder ihr kommt nackt, keine Jeans.
    Woraufhin die Leute im Hof ohne sichtbares Zögern anfingen, sich ihrer Kleidung zu entledigen. Aus dem zweiten Hof näherte sich ein taumelnder Lichtstrahl: ein Brezelverkäufer auf seinem Fahrrad. Umkreiste klingelnd die auf einem Bein Hüpfenden: Jemand Brezeln? Einige hörten daraufhin tatsächlich auf, sich auszuziehen, kauften sich etwas zu essen und blieben im Hof. Andere tanzten unter der Thanosschen Achselhöhle in den Klub hinein. Bevor sich die Tür vor dem Rest schloss, holte ein langer, haariger Arm aus, packte den voll bekleideten, unkostümierten Mann an der Eisenstange und zog ihn durch die schnell schmaler werdende Türöffnung ins Innere.
    Anschließend war Thanos verschwunden, was verwundert, denn im Klub waren so viele zusammengepresst, dass man kaum treten konnte. Plötzlich (woher?) hatte Abel ein Glas in der Hand, fand einen Flecken Platz am Rande einer Nische, setzte sich.

    Zur Stunde, wenn der Mensch allein ist mit seinen Geistern undoder in Gesellschaft, in der Nacht von Sonntag auf Montag, saß im Inneren einer ehemaligen Getreidemühle der Zehnsprachenübersetzer Abel N. am Rande einer Nische am Rande einer Bank. In der Tiefe der Nische, in der Deckung des Gläserwaldes auf dem Tisch, wurde kopuliert. Senatoren mit ihren Mätressen, Soldaten, Gladiatoren, bekränzte Dichter, edle Damen, aber die allermeisten waren wohl Sklaven, nackt, bis auf die leuchtenden Zeichen auf ihrer Haut, tanzten oder schauten zu. Alles war so dicht gedrängt, als befände man sich im Bauch eines überfüllten Schiffes, so laut war es auch. An der dunklen Decke, zwischen Galerien, die sich in der Unendlichkeit fortsetzten und die auch voller Menschen zu sein schienen, blitzte im wechselnden Licht ein mechanisches Geflecht unbekannter Funktion aus Zahnrädern und Seilen auf. Als wäre alles auf einer Klaviersaite aufgehängt und könnte jeden Augenblick herunterkrachen, mitten hinein.
    Jetzt oder später, Abels Glas jedenfalls war noch oder schon wieder voll, betrat ein lockiger Lustknabe die Szene, nackt, bis auf den Goldstaub, der ihn von oben bis unten bedeckte, beugte sich herunter, schaute ihm tief in die Augen und ließ eine kleine weiße Pille in sein Glas fallen. Sie drehte sich sprudelnd in der dunklen Flüssigkeit. Das haarlose Geschlechtsteil des Knaben in einer Höhe mit dem Glas. Abel leerte das Glas auf einen Zug. Glitzernder Cherubinhintern, hinter dem
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