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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor
Autoren: Leena Lehtolainen
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Ich trug den zurückbleibenden Beamten auf, die Katze einzufangen, wenn sie auftauchen sollte. Sie sahen mich an, als hätte ich den Verstand verloren. «Katzen fangen, das fehlt uns noch!», brummte der eine wütend.
    Jukkas Auto blieb vorläufig vor der Villa stehen, weil die Technik eine Voruntersuchung durchführen wollte. Später würde es irgendwer zum Labor fahren, die Schlüssel steckten. In den BMW von Piia Wahlroos passten fünf Chormitglieder. Es war sinnlos, einen Beamten mitfahren zu lassen, damit sie ihre Aussagen nicht absprechen konnten, denn das hatten sie längst tun können. Ich hätte wetten mögen, dass Mirja Rasinkangas und Antti Sarkela als Einzige bereit waren, im Polizeiauto mitzufahren. Die Wette hätte ich glatt gewonnen. Ich spürte Anttis Knie im Rücken und schob meinen Sitz nach vorn.
    «Was machst du eigentlich bei der Polizei, Maria?», fragte Antti, als wir von dem Waldweg auf die Straße bogen. «Als ich dich zuletzt gesehen hab, hast du doch Jura studiert.»
    «Ich hatte vorher die Polizeischule besucht. Und die Vertretungsstelle kam mir jetzt gerade recht.»
    «Hast du viele … Mordfälle gelöst?»
    «Genügend.»
    «Unterschätz mir das Mädchen nicht, die hat Grips genug, um den Schuldigen zu finden», mischte sich Rane pikiert ein. Ich feixte innerlich. Das Größensyndrom machte sich wieder mal bemerkbar. Rane, der das Mindestmaß für Polizisten nur um Haaresbreite überschritt, verhielt sich automatisch ablehnend gegenüber Männern, die wesentlich größer waren als er selbst. Dass er mich schon wieder Mädchen nannte, ließ ich ihm diesmal durchgehen, immerhin hatte er ja Partei für mich ergriffen. Nach außen hielten Polizisten eben zusammen, trotz allem.
    «Du hast doch mit Jaana zusammengewohnt», rief Mirja auf einmal. «Jetzt erinnere ich mich …» Es klang, als hätte sie mich nicht gerade in guter Erinnerung. Vielleicht war ihr der bierselige Abend eingefallen, an dem ich den Fehler begangen hatte, meine Ansichten über Sinn und Zweck des Chorgesangs kundzutun.
    Ich nahm mir vor, Jaana in Deutschland anzurufen. Sie war Jukkas Freundin gewesen und konnte mir vielleicht wichtige Informationen geben. Außerdem kannte sie vermutlich die meisten der in den Mord verwickelten Chormitglieder – die schicksalhafte Deutschlandtournee lag ja erst zwei Jahre zurück.
    Den Rest des Weges legten wir schweigend zurück. Bevor ich mit den Vernehmungen anfing, wollte ich rekapitulieren, was ich bisher erfahren hatte. Nach dem vorläufigen Urteil des Gerichtsmediziners hatte Jukka einen Schlag auf den Kopf erhalten, der von vorn und aus leicht erhöhter Stellung mit einem stumpfen, ungleichmäßig geformten Gegenstand ausgeführt worden war. Der Täter war also entweder wesentlich größer als Jukka – dann kam von den Anwesenden nur Antti infrage –, oder Jukka hatte vor ihm gesessen oder gekniet. Vorgebeugt hatte er sich jedenfalls nicht, sonst hätte ihn der Schlag aus einem anderen Winkel getroffen.
    War Jukka am Bootssteg mit jemandem verabredet, mit dem er ungestört sprechen wollte? Oder war er einfach so nach draußen gegangen und überraschend angegriffen worden?
    Das war nur mit harter Arbeit herauszufinden, indem ich mit Leuten redete und ihnen zuhörte. Die Tötungsdelikte, mit denen ich es bisher zu tun gehabt hatte, waren klare Fälle gewesen: Betrunkene, die ihrem Kumpel ein Messer in die Rippen gerammt oder ihrer Frau eine Axt über den Kopf gezogen hatten. Totschlag jedes Mal. War dies mein erster Mord?
     

 
     
     
     
Zwei
     
     
    Um Kiel und Planken Gischtwellen branden
     
    Kinnunen hatte sich immer noch nicht im Präsidium blicken lassen. Der Diensthabende hatte beim x-ten Anruf in Kinnunens Wohnung endlich dessen neue Freundin erreicht, die ihm erzählt hatte, mein Vorgesetzter säße beim vierten Bier auf der Terrasse des «Kappeli». Rane und ich beschlossen, ohne ihn anzufangen, damit wir die Leute nicht den ganzen Abend auf dem Präsidium behalten mussten.
    Ich wollte mir die Chormitglieder in alphabetischer Reihenfolge vornehmen, da mir nichts Besseres einfiel. Rane sollte nur mitschreiben, denn er würde sowieso nicht mehr lange an dem Fall mitarbeiten. Er war in Gedanken schon beim Montag, an dem er ausschlafen und alle Mordfälle vergessen konnte. Immerhin würde er aber hören, was die Zeugen zu sagen hatten, und sein Urteil darüber abgeben können, bevor er in Urlaub ging. In den wenigen Monaten, die ich mit ihm zusammengearbeitet hatte,
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