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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor
Autoren: Leena Lehtolainen
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genug», oder so ähnlich. Jukka antwortete, dessen Frau hätte ganz und gar nichts dagegen. Da habe ich kehrtgemacht und bin ins Haus zurückgegangen, weil ich nichts mehr davon hören wollte.»
    «Es war aber nicht eindeutig von Piia und Peter die Rede?»
    «Nein … Aber von wem denn sonst?» Timos blassblaue Augen fixierten mich fragend. «Jukka war ziemlich anstrengend mit seinen Frauengeschichten. An jedes Mädchen musste er sich ranmachen. Ich habe ihn eigentlich erst richtig kennen gelernt, nachdem er mit Jaana Schluss gemacht hatte – mit der hast du doch früher zusammengewohnt? Seitdem ist es bei ihm ganz schön rundgegangen. Musikalisch hat er, oder hatte er, einiges drauf, er war ein guter Sänger. Das wusste er selbst, darum hat er ja auch unser Ensemble geleitet.»
    Das klang säuerlich. Hatte Jukka womöglich Timos Gesangsstimme kritisiert?
    «Ein gutes Examen hat er gemacht, und er ist wohl auch gerade befördert worden. Ich glaube, er hat ziemlich viel verdient, jedenfalls nach seinen Kleidern zu urteilen, und was er sonst noch so alles hatte … aber irgendwie hatte man immer das Gefühl, dass er fast ausschließlich an Frauen dachte.»
    Timo schien erleichtert zu sein, weil Jukka nun keine Gelegenheit mehr hatte, anderer Männer Frauen zu verführen. Jyri Lasinen dagegen schien ehrlich zu trauern. Jedenfalls wirkten seine geröteten Augen geradezu rührend, als er Jukka einen guten Kumpel nannte. Ich fragte mich, was das für ein Gefühl war, frühmorgens in verkatertem Zustand über die Leiche eines Freundes zu stolpern. Im IOL sang Jyri erst seit einem Jahr, aber er hatte schon seit Jahren in ostfinnischen Kammerchören und bei den Opernfestspielen in Savonlinna gesungen.
    «Ich war vorher noch nie in Jukkas Sommerhaus, war echt toll, vom Feinsten. Wir sind in Piias Wagen gefahren, ich durfte fahren, weil ich mal probieren wollte, wie das ist, am Steuer vom BMW zu sitzen. Timo und Sirkka waren bei uns im Auto, die anderen sind vor uns gefahren, und dann wollt ich Jukka überholen, da haben wir dann so ’n bisschen Rallye gespielt. Das letzte Stück auf dem Waldweg hat richtig Spaß gemacht.» Jyris merkwürdig hohe Stimme klang kindlich begeistert. Nach seiner Fahne zu urteilen, hatte er auf dem Rückweg versucht, seinen Kater im Alkohol zu ersäufen.
    «Jukka war ein guter Autofahrer, aber ein bisschen Angst hab ich schon gehabt, wie er mich geschnitten hat … und die Mädchen haben vielleicht gekreischt! In der Villa haben wir dann gesungen. Klang richtig gut, allmählich kann ich meine Partie auch schon. Timo kommt bloß bis zum F, aber der ist ja auch zweiter Tenor. Als wir keine Lust mehr hatten zu singen, hab ich mich noch ans Klavier gesetzt, da lagen nämlich die Noten von Lenskis Arie, kennst du die?» Jyri summte die ersten Takte. Von einem Lenski hatte ich noch nie gehört, darum verbarg ich meine beschämende Unwissenheit hinter einem verhaltenen Lächeln. Rane sah wütend aus.
    «Dann ist Tuulia gekommen und hat gesagt, ich soll nich so traurige Lieder spielen, und wir haben ein anderes Notenbuch durchgeblättert. Dann gab’s wohl Essen, und anschließend waren wir in der Sauna. Ich bin mit Jukka um die Wette geschwommen und hab gewonnen. Dann war ich ziemlich blau, Jukka hatte anständigen Whisky da, Jack Daniels, kennst du den?»
    Mit diesem Herrn hatte ich allerdings Bekanntschaft geschlossen, ein paar Mal sogar allzu intim.
    «Ich hab noch mit Tuulia getanzt, aber die Musik, die da von der Platte kam, passte nicht, das war Bach. Dann muss ich abgesackt sein, und heute Morgen war mir schlecht.»
    Rane tippte eifrig, Jyri wirkte zapplig. Er war klein und schlank und wirkte noch jünger, als er war, fast kindlich. Sah man von den verkaterten Augen und dem Dreitagebart ab, war er eigentlich ein ganz adretter junger Mann. Das leicht rötliche Haar – ob die Farbe wohl echt war? – war modisch geschnitten, und die Kleidung wirkte sorgfältig gewählt, die Socken passten zu dem violett gemusterten Hemd und zum Brillengestell.
    Jyri war es, der die Leiche gefunden hatte. Mirja hatte erzählt, wie er in der Nacht in der unteren Etage herumgeirrt war. Als ich ihn danach fragte, wurde er rot, als fühlte er sich schuldig.
    «Ach ja … Daran hab ich gar nicht mehr gedacht, ich muss wohl ziemlich blau gewesen sein. Das war noch mitten in der Nacht. Also, ich hab zuerst nur so getan, als ob ich eingepennt wäre, aber ich hab dann doch nicht geschlafen, sondern bin gucken gegangen, was
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