Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
mit mir bei einer Flasche Rotwein gewälzt.
    Nach den dämlichen Bodybuildern bei der Polizei war Jukka eine wahre Augenweide gewesen. Jaanas Geträller störte mich nicht weiter, sie hatte eine ziemlich reine Stimme, und ich konnte ja jederzeit Kopfhörer aufsetzen und in voller Lautstärke meine Musik hören, wenn ich von Klassik die Nase voll hatte.
    Dann starb meine Großtante. Die Erben wollten ihre Einzimmerwohnung im Stadtteil Töölö nicht verkaufen, sondern abwarten, bis die Wohnungspreise stiegen. Bis dahin hütete ich die Wohnung, konnte mietfrei in der Innenstadt wohnen und zahlte nur die Nebenkosten. Als die Wohnungspreise anzogen, fürchtete ich schon, ausziehen zu müssen, aber meine geldgierigen Verwandten wollten noch mehr herausschlagen und hatten dann das Nachsehen, als die Rezession kam und die Preise in den Keller stürzten. So wohnte ich also nach wie vor in der Nachbarschaft des Restaurants «Elite». Ab und zu lief ich Jaana an der Universität über den Weg, sie hatte inzwischen mit Jukka Schluss gemacht. Später verliebte sie sich bei einer Deutschlandreise des Chors in den Sohn ihrer Gastgeber und blieb als Hausfrau in Deutschland. Seither schickten wir uns gegenseitig Weihnachtskarten.
    Ich erinnerte mich vage an andere Bekannte von Jaana. Außer Jukka war noch ein zweiter Augenschmaus dabei gewesen … Sicher würde ich in der Gruppe in Vuosaari bekannte Gesichter entdecken, denn viele blieben ewig im Studentenchor, um ihre Jugend zu verlängern. Vermutlich sind Chorsänger eine Sorte für sich, lauter Masochisten, die es lieben, gemeinsam mit anderen schlechten Sängern unter Leitung eines sinnlos mit den Armen fuchtelnden Peinigers nichts sagende Lieder zu trällern.
    Die Straße zur Villa schlängelte sich durch die sommerlich grüne Landschaft. Rane hatte das Martinshorn abgestellt, fuhr aber mit weit überhöhter Geschwindigkeit. Ich las die Streckenbeschreibung, und wir fanden tatsächlich die richtige Abzweigung. Es ist verdammt peinlich, wenn Polizisten sich verfahren, das wusste ich, denn mir war das ein paar Mal passiert. Hinter den Feldern glitzerte das Meer, ein Hase hoppelte über den Weg, und eine Wespe versuchte durch das Fenster ins Auto zu fliegen.
    «Irgendwelche reichen Leute haben sich hier draußen ein paar alte herrschaftliche Villen renovieren lassen», erklärte Rane.
    Nachdem wir eine etwa zehn Meter breite Landenge überquert hatten, befanden uns auf einer Art Insel. Wir fuhren unter einem hohen Torbogen hindurch. Auf einem Messingschild stand «Villa Maisetta». Ein schmaler, grasbewachsener Weg führte zu einem Anwesen, das genauso aussah, wie ich mir mein Traumhaus vorstellte. Zwei Etagen, weiße Fensterrahmen, Zierschnitzereien. Auf dem Rasen vor dem Haus standen ein Streifenwagen und der alte Volvo der Kriminaltechnik.
    «Die Jungs waren aber schnell. Und was machen wir?» Ich steigerte mich bewusst in eine zynische, aggressive Stimmung hinein. Bloß keine Tränen über die Leichen hübscher Exfreunde ehemaliger Wohnungsgenossinnen.
    Einer der Streifenpolizisten kam mit einem dunkelhaarigen, mürrisch dreinschauenden Mädchen auf uns zu. Beide sahen mich misstrauisch an, und obwohl ich auf skeptische Blicke gefasst war, ärgerte ich mich. Die Dunkelhaarige kam mir bekannt vor. Als ich hörte, dass sie Mirja hieß, fielen mir Jaanas wenig schmeichelhafte Bemerkungen über die schlimmste Nörglerin im Chor ein, die nicht mal Alkohol trank, was in diesen Kreisen vor fünf Jahren als unverzeihlich galt.
    Mirja führte uns ans Ufer, wo die Jungs von der Technik gerade die Leiche fotografierten. Der Arzt war auch schon da. Offenbar hatten wir lange auf uns warten lassen, denn alle anderen waren schon fertig. Wegen mir hätten sie nicht damit warten müssen, die Leiche aus dem Wasser zu holen. Ich wollte den Kadaver ja gar nicht anschauen, wollte ihn nicht identifizieren und nicht sehen, was man Jukka angetan hatte.
    «Wie sieht’s aus?», fragte ich Mahkonen, den Gerichtsmediziner, der mindestens fünfzig Kilo Übergewicht mit sich herumschleppte und wie immer einen Zigarillo paffte. Er hasste mich fast so sehr wie ich ihn. Allerdings gab es einen Unterschied: Ich wusste, dass er ein Ass in seinem Fach war, was er von mir nie behauptet hätte.
    «Wo ist Kinnunen?», erkundigte er sich misstrauisch.
    «Der ist, wo er ist», versetzte ich. «Wir werden jedenfalls nicht auf ihn warten. Fangen wir an. Was meinst du zur Todesursache?»
    «Dem Gesicht nach ist der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher