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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen
Autoren: Daniel Glattauer
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es.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Lieber Leo, sag nicht: »Na also! Vergiss es«, sondern frag mich: »Warum nicht?«
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Warum soll ich dich das fragen, Emmi?
     
    50 Sekunden später
    RE:
    Frag nicht, warum du mich das fragen sollst, sondern frag mich, warum ich mich nicht scheiden lassen würde!
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Liebe Emmi, ich werde mir von dir nicht vorschreiben lassen, was ich dich zu fragen habe. Was ich dich frage, frage immer noch ich. Also: Warum würdest du dich nicht scheiden lassen?
     
    20 Sekunden später
    RE:
    Weil ich schon geschieden bin.
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Nein.
     
    Zwölf Minuten später
    RE:
    Doch. Seit 17. November, 11 Uhr 33. Grob gerechnet: seit einem halben Jahr. Falls du diese unerquickliche Phase bereits aus deinem Gedächtnis gestrichen hast: Das war während unserer dreimonatigen Schreibpause, nach meinem Nacht- und Nebelbesuch bei dir, nach meinem verkündeten ENDE mit Großbuchstaben. Damals bin ich ausgezogen. Damals habe ich Bernhard alles über uns (beziehungsweise über den zweiten, ihm noch unbekannten Teil unserer Geschichte) erzählt. Damals haben wir offiziell, einvernehmlich und ohne Schuldzuweisung festgestellt, dass unsere Ehe nicht mehr gar so fantastisch gut dasteht und dass sie in ihrer verunglückten Stellung erstarrt ist. Damals haben wir die Konsequenzen gezogen. Damals haben wir uns scheiden lassen. Ja, so war das damals. Und es war richtig, dass wir es getan haben. Und es war gut, wie wir es gemacht haben. Es tat weh, aber nur ein bisschen. Den Kindern ist es gar nicht aufgefallen. Denn in den Abläufen hat sich nicht viel geändert. Wir sind uns als Familie erhalten geblieben.
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Warum hast du es mir verheimlicht?
     
    Eine Minute später
    RE:
    Ich habe es dir nicht verheimlicht, Leo, ich habe es dir nur nicht gesagt. Es war nicht so, so, so – wichtig, ja, wichtig. Eigentlich war es bloß ein formaler Akt. Irgendwann wollte ich es erwähnen. Aber da kam uns »Pam« dazwischen. Da stand sie quasi vor der Tür. Da hätte es irgendwie nicht so gut gepasst, fand ich.
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Aber Emmi, Bernhard und du, ihr habt auf den Kanarischen Inseln einen idyllischen Versöhnungsurlaub zu zweit verbracht.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Es war kein idyllischer Versöhnungsurlaub, es war ein harmonischer Gewohnheitsurlaub. Das sind auf der Skala der guten Urlaube die emotionell so ungefähr am weitesten voneinander entfernten Möglichkeiten. Wir waren mit uns im Reinen.
     
    40 Sekunden später
    AW:
    So rein, dass du nachher wieder zu ihm zurückgekehrt bist. Für mich war das damals ein untrügliches Zeichen für die Festigkeit eurer Bindung.
     
    Acht Minuten später
    RE:
    Und für mich war das damals ein untrügliches Zeichen für deine Gabe, die Dinge völlig falsch zu beurteilen, wenn sie gar nicht mehr falsch beurteilt werden können! Eindeutiger konnte mein Antrag aus La Gomera an dich nicht sein. Aber du hast ihn abgelehnt, indem du ihn überhört hast. Du hast die Wogen sausen lassen, in gewohnter Tradition. Seit wir uns kennen, hast du eine siebente Welle nach der anderen verschlafen, mein Lieber.
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Und deshalb hattest du dich für Bernhard entschieden und bist wieder zu ihm gezogen. Was gibt es daran falsch zu beurteilen?
     
    Fünf Minuten später
    RE:
    Nein, Leo. Wir hatten lediglich unsere familiäre Wohn- und Zweckgemeinschaft wieder aufgenommen. So konnte ich die Kinder besser überblicken, wenn er auf Tournee war. Außerdem saß ich dann nicht mehr gar so verloren im Leo-Warteraum und starrte weiße Wände an.
     
    50 Sekunden später
    AW:
    Das wusste ich nicht.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Ich weiß.
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Es ist zwar noch neu und ungewohnt, aber es geht mir ziemlich gut dabei, es zu wissen.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Das freut mich für dich.
     
    Drei Minuten später
    AW:
    Und jetzt?
     
    50 Sekunden später
    RE:
    Jetzt schlage ich vor, dass ich einen Whiskey brauche.
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Und danach?
     
    Zwei Minuten später

    RE:
    Danach darfst du mich noch einmal fragen, ob ich zu dir komme. Inzwischen kannst du schon einmal damit beginnen, deinen Ginsterbusch-Blick zu üben und Wellen zu zählen.
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Schon fertig mit dem Whiskey?
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Ja.
     
    20 Sekunden später
    AW:
    Kommst du?
     
    15 Sekunden später
    RE:
    Ja.
     
    30 Sekunden
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