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Alle Orte, die man knicken kann

Alle Orte, die man knicken kann

Titel: Alle Orte, die man knicken kann
Autoren: Dietmar Bittrich
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langer mühsamer Irrfahrt gelangte es schließlich bis vor die Küste von Costa Rica. Auf der Isla Sorna, ermittelten Zoologen, fand es ein neues Zuhause. Gelegentlich tritt Nessie in Filmen von Stephen Spielberg auf, um den Aufenthalt in der Karibik zu finanzieren und nie mehr nach Schottland zurückzumüssen.

Dänemark

    F ür Dänemark werden Juli und August als mögliche Reisezeiten empfohlen, weil die Temperatur an einigen Tagen die Zwanzig-Grad-Marke erreicht. In Kopenhagen legen die Ureinwohner aber bereits bei den durchschnittlichen fünfzehn Grad im Juni alle Jacken und Pullover ab. Das ist möglich, weil sie sich von innen mit hochprozentigen Getränken wärmen. Kopenhagen macht am schnellsten verständlich, warum die Skandinavier jenseits der fünfundzwanzig Alkoholiker sind. Trübe Gassen, eine kettenrauchende Königin, ein schales Museum für moderne Kunst (
Louisiana
), ein dumpfes Schloss als Gerümpelmuseum (
Rosenborg
) und ein Vergnügungspark (
Tivoli
), in dem Karussellfahrer zu jeder Jahreszeit mit Decken versorgt werden. Wie in jeder anderen abgetakelten Hafenstadt sind alte Speicher zu Restaurants und Hotels und Shopping Malls umgewandelt worden, aber essen und wohnen und shoppen möchte hier niemand. Nur trinken, sehr viel trinken, jedenfalls bis zur Abreise.

Schweden

    D ie Schweden bezeichnen sich selbst als
tråkig
, was so viel heißt wie träge oder langatmig. Ihr Land finden sie nach letzten Umfragen
långtråkig
und das Königshaus
genomtråkig
, was alles Steigerungen von
tråkig
sind. Reisende stimmen zu. Bis heute ist unklar, ob der nach Schweden ausgewanderte Dichter Kurt Tucholsky nach zwei Jahren absichtlich Schlaftabletten nahm oder nur versehentlich, ob es zu viele waren oder vielleicht eine einzige Tablette genügte, um ihn in diesem Land für immer in Schlaf zu versenken. Sommerlichen Besuchern werden gewöhnlich Aufputschmittel empfohlen.
    Durchschnittlich halten sich Gäste siebzehn Stunden in Stockholm auf, von denen sie nach Möglichkeit acht verschlafen, fünf bei Essen und Trinken zubringen (schwierig bei der Kochkunst) und vier für Besichtigungen aufwenden, was mehr als ausreichend ist. Die Altstadtinsel Gamla Stan mit Schloss und Schlosskirche ist rasch abgeschritten. Wer sich den von Reiseleitern als Höhepunkt angepriesenen Wachwechsel antut, sucht im Wörterbuch sofort nach weiteren Steigerungsmöglichkeiten des Wortes
tråkig
. Reisegruppen werden gewöhnlich in den Bus geschoben und in zwei Museen abgeladen. Das erste ist das Vasa-Museum, wo ein vierhundertJahre altes königliches Segelschiff liegt, das auf der Jungfernfahrt sank – bis heute ein Symbol nationaler Identität. Das zweite ist das Freiluftmuseum Skansen, ein Museumsdorf, in dem trachtengekleidete Laien und Handwerker einen Webstuhl, eine Windmühle, eine Apotheke und einen Eisenwarenladen betreiben. In einem Freiluftgehege reiben sich zwei räudige Wölfe am Zaun, im Nachbargehege dösen Elche und hoffen, dass es bald vorüber ist.
    Wer noch einen Tag mehr Zeit hat, wird diesen auf dem Wasser verbringen, in einem Ausflugsboot durch den sogenannten Schärengarten. So heißt die endlose Zahl von spärlich bewachsenen Felsenhöckern und sommerlich bewohnten Inselchen, die mehr als eine Stunde zu betrachten das gewöhnliche Konzentrationsvermögen übersteigt. Als Alternative bleibt nur ein Ausflug nach Uppsala, wo man durch einen Schlossgarten spazieren und in einen gotischen Dom gehen kann. Als dessen Höhepunkt gilt die Schatzkammer mit alten Schilden, alten Kelchen und alten Messegewändern. Oder, wie man in Schweden zu sagen pflegt:
Tråkig, långtråkig, genomtråkig
.

Island
    D er einzige Trost seiner Landsleute sei das Erlebnis des Nordlichts, seufzte der Nobelpreisträger Halldór Laxness; «wenn der Nachthimmel in grünlichen Schleiern leuchtet». Dieses Erlebnis werde durch elektromagnetische Felder an der Polkappe hervorgerufen, erklärte der Heimatforscher, viel häufiger jedoch durch elektromagnetische Impulse in den Hirnlappen, wenn sie ausreichend mit heimischem Fusel getränkt würden. Tatsächlich hat der Mangel an bezahlbarem Importalkohol in Island schon früh zu einer florierenden Schwarzbrennerei geführt. Deren Erzeugnisse verhelfen den Bewohnern nicht nur zu grünlichen Halluzinationen und einer bleichen Gesichtsfarbe, sondern verkürzen auch ihr Leiden am eigenen Land.
    Innerhalb Europas haben die Isländer die geringste Lebenserwartung, und die meisten sind nach neuesten
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