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Alle Orte, die man knicken kann

Alle Orte, die man knicken kann

Titel: Alle Orte, die man knicken kann
Autoren: Dietmar Bittrich
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vollsynthetischen Cheddar-Käse müssen noch die leckeren Salmonellen erwähnt werden, die in keiner englischen Küche fehlen.
    Das reicht für das Expertengespräch
    Der Fremde wundert sich als Erstes darüber, dass er keine Mülleimer findet, als Zweites, dass es keine Bobbys mehr gibt, und schließlich, dass die Autos tatsächlich von links kommen. Letzteres fällt ihm oft zu spät auf. In keiner europäischen Stadt kommen mehr Touristen im Straßenverkehr um als in London. Über diese Anekdoten hinaus lässt sich ein Gespräch damit füllen, dass unsere Großmutter eine Standuhr mit dem Big-Ben-Klang hatte. Der Sound war zur Gründerzeit in Mode. Immerhin war Wilhelm   II. ein Enkel von Queen Victoria. Das Gespräch schraubt sich in wissenschaftliche Höhen, wenn es auf den Nullmeridian kommt. Der verläuft durch den Stadtteil Greenwich. Ein britischer Astronom hat 1851 beschlossen, dass hier in London alles bei null beginnt: die Zeitzonen, die Längengrade, das geordnete Leben überhaupt. Was bedeutet das für den Sonnenaufgang? Und liegt die Datumsgrenze genau gegenüber? Abend gesichert!
    Das meinen Kenner
    «Seit die Busfahrer Gebetspausen einlegen, bin ich zuversichtlich, dass London bald unter islamisches Recht gestellt wird.»
    – Stanley Kubrick, Regisseur
     
    «Wenn man hier nicht wohnt und nie herkommt, geht es.»
    – Judy Dench, Schauspielerin
     
    «Verraten Sie nicht, dass Sie Deutsche sind. Sagen Sie Österreich oder Schweiz. Besonders, wo Bier ausgeschenkt wird. Sonst bekommen Sie erstens keines ab und kommen zweitens nicht lebend raus.»
    – Anthony Burgess, Autor
     

    W er von London nach Cornwall unterwegs ist, kann spirituell interessierte Mitreisende in der Nähe von Salisbury aussetzen, und zwar für immer. Zehn Kilometer vor dem Städtchen landen regelmäßig unidentifizierbare Flugobjekte, setzen hochfrequente Wesen aus und nehmen grobe Menschen zwecks Umwandlung an Bord. Das geschieht in Stonehenge. Für alle anderen sind die anderthalb Steinkreise auf Fotos wesentlich eindrucksvoller als inNatur. Das mürbe Denkmal wird als Rätsel angepriesen. Wer es sieht, ahnt allerdings, dass sich die Lösung nicht lohnt. Energie kommt nicht mehr rüber, seit die Kreise vor dreißig Jahren eingezäunt wurden – nach dem letzten hippen Eso-Festival samt Schlägerei und Vergewaltigung. Ob die Steine astronomisch ausgerichtet waren oder zu feierlichem Kreiswandern genutzt wurden, ist nur für die Jecken interessant, die sich hier zur Sommersonnenwende in Bettlaken hüllen und als Druiden johlen. Für alle anderen lohnen sich weder der Umweg noch die sieben Pfund Eintritt, für die man das Gesicht an den inneren Zaun pressen darf.

    W er die Achtung vor den Engländern für immer verlieren will, muss nur ein Seebad besuchen», äußerte der britische Autor Douglas Adams. «Am besten Brighton.» Das ist immer noch Britanniens liebste Stadt am Meer. Das Hügelland läuft hier Richtung Ärmelkanal aus. Rentner ziehen wegen des weichen Klimas hierher, Schwule ebenfalls. Alte Damen suchen die Nähe des Royal Pavillon – ein vor zweihundert Jahren erbautes Lustschloss im indisch-chinesischen Mischstil. Queen Victoria schloss es, weil sie Brighton wegen der Säufer nicht mochte. Sie ist tot, die Säufer sind immer noch da. Die besten Kampftrinker sind allerdings nicht ortsansässig, sondern kommen aus London. Einige arbeiten im Sommer in den rostenden Jahrmarktsgeschäften, auf Karussells, im Gruselkabinett oder verschrauben die wackelige Achterbahn. Für alle Besucher gibt es eine Menge garantierte Gewinnmöglichkeiten in Automatenhallen, Kasinos und Wettbüros. Als unbedingt besuchenswertgelten die wöchentlichen Vorträge «Problem Gambling   – Signs, Symptoms, and Treatment» sowie die drei lokalen Gambling Addiction Treatment Center. Deutschen Spielsüchtigen wird wegen der Sprachbarrieren jedoch zu einer Therapie in der Heimat geraten.

    I m Sommer mild und feucht, im Winter mild und feucht. Cornwall wird ausschließlich besucht von älteren Herrschaften, die gern Anorak tragen. Die Halbinsel ist Englands verschnarchter Ausläufer in den Atlantik. Es gibt eine Menge Gras und Heidekraut, flächig oder hügelig, dazu Schafe, Kühe, Disteln, Brombeeren, Hinkelsteine und Schnittlauchfrischkäse. Im Touristenstädtchen Penzance lassen gutgekleidete Pensionäre Kugeln über den Rasen rollen (Lawn Bowls), im ehemals hübscheren St.   Ives verdämmern die dementen Veteranen der Marihuana-Ära, die hier
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