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Alle Orte, die man knicken kann

Alle Orte, die man knicken kann

Titel: Alle Orte, die man knicken kann
Autoren: Dietmar Bittrich
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nicht überlebt. Selbst heute würden die Schätze in ihrer Heimat, so Kultusminister Andy Burnham, «binnen kurzem aus religiösen Gründen in die Luft gesprengt werden». Das Imperium gibt nichts zurück.
    Jahrmarkt und Shopping.  Zum Jahrtausendwechsel wurde am Themse-Ufer ein Riesenrad aufgebaut, das
London Eye
. Viele Reisende verzichten auf eine nähere Besichtigung der Stadt, nachdem sie sie von oben gesehen haben. Die neuere
London Bridge Experience
ist eine kreischige Geisterbahn durch die Geschichte und ungefähr so aufregend wie die einschläfernden Wachsfiguren bei
Madame Tussaud
. Hausstauballergiker meiden beide Häuser. Reiseführer schicken ihre Gruppen gern in die verstopfte
Oxford Street
zum Nepp-Shopping oder gar zu
Harrods.
Wer dort das Erdgeschoss durchqueren kann, ohne von Kopf bis Fuß mit Parfüm eingesprayt zu werden, bekommt die goldene Nadel des Reiseveranstalters.
    So wird man lästige Mitreisende los
    Notting Hill und Portobello Road . Schnatternde Mitreisende, die eigentlich die Königin sehen wollten, schicken wir nach Notting Hill. «Da wohnt Hugh Grant, und Julia Roberts besitzt ein Haus. Er ist ja leider sehr gealtert, und sie trägt immer eine Sonnenbrille.» Ganz falsch ist das nicht. «Und wenn du sie nicht triffst, ist da immer noch der berühmte Flohmarkt an der Portobello Road.» Nirgends in London ist Ramsch teurer.
    U-Bahn .  «Dahin kommst du am schnellsten mit der U-Bahn ! Wir gehen zu Fuß!» Gemeiner Trick, denn in der Innenstadt ist man zu Fuß schneller. Die älteste U-Bahn der Welt, genannt
Tube
(«Röhre»), hat zugleich die umwegigste Streckenführung der Welt. Die geraden Linien auf dem ausgehängten Plan haben nichts mit der unterirdischen Krausheit zu tun. Doch das soll unser lästiger Mitreisender selbst herausfinden. «Steig einfach in
King’s Cross
um!» Das ist die chaotischste aller Stationen. Viele Reisende, die hier vor Jahren nur umsteigen wollten, leben immer noch in den Gängen, falls sie nicht von einer Bombe dahingerafft wurden.
    London Pass.  Der Touristenpass für Dummies schließt Fahrten mit Bus und U-Bahn ein und den ohnehin kostenlosen Besuch der Museen. «Den musst du haben! Wir hatten ihn letztes Jahr! Damit lernst du die Stadt wirklich kennen!» Allerdings nur so verzichtbare Besonderheiten wie den
Battersea Park Children’s Zoo
oder das
London Canal Museum
, die ohne diesen schrottigen Pass gänzlich unbesucht blieben.
    Typisch London
    Regen.  Es ist nicht wahr, dass es in London immer regnet. Es regnet lediglich, wenn man ohne Schirm unterwegs ist. Das Wetter ist wechselhafter als anderswo. Nur den Nebel, der in Edgar-Wallace-Filmen die Kulissen umwabert, gibt es ziemlich sicher nicht. Es handelte sich um Fabrikrauch, der sich mit feuchter Luft in den Straßen hielt.
    Dreck.  Seit der Nebel fort ist, sieht man, dass die Stadtreinigung in London dauerhaft streikt. Und dass die Zugezogenen aus anderen Ländern ungern auf ihre Gewohnheit verzichten, Müll auf die Straße zu entsorgen. Die Hotels ziehen längst mit. Schaben im Frühstücksraum, Kolonien von Silberfischchen im Bad, die Chips der letzten zehn Vormieter unterm Bett: Das gehört zum Fünf-Sterne-Standard.
    Aggressivität.  Das Bild vom Gentleman, der Tee trinkt und über das Wetter parliert, ist hundert Jahre alt. Damals hoben Sklaven in fernen Kolonien die Bodenschätze und exportierten sie ins Land der Eroberer. Die gaben sich kultiviert. «Von 1850 bis 1950 haben wir es geschafft, höflich zu erscheinen», erklärt Theaterautor Mark Ravenhill. «Davor waren wir roh, jetzt sind wir es wieder. London am Wochenende: Die Leute liegen in der Gosse, schlagen sich und kotzen.» Kenner nennen das Understatement.
    Unverdauliche Landesspezialitäten
    Nur Strafgefangene werden heute noch gezwungen, Erzeugnisse der englischen Küche zu verzehren. Zumindest in London haben sich die Rezepte der Einwanderer durchgesetzt. Die
Fish-and-Chips -
Stände sind von Currybuden abgelöst worden. Die dort gereichte Linsenpampe namens
Dal
oder
Chicken Tikka Masala
– zerhacktes Huhn in Currysoße – sind von eigener Gruseligkeit. Der Kaffee ist traditionell miserabel; Starbucks gilt als Gourmetrestaurant. Tee besteht seit der Unabhängigkeit Indiens nur noch aus Wasser und Milch. Brot gibt es in Form weißer Krümel oder als
Plumpudding
: mit Rinderfett und Sirup zu einem Klumpen geformt, der zwölf Monate haltbar ist und auch als Waffe eingesetzt wird. Neben Frühstücksspeck, Minzsoße und dem
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