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Alle Orte, die man knicken kann

Alle Orte, die man knicken kann

Titel: Alle Orte, die man knicken kann
Autoren: Dietmar Bittrich
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die hier ihr Leben lassen.
    So wird man lästige Mitreisende los
    In Bus und U-Bahn . Mutige Mitreisende werden wir los, indem wir ihnen gestehen, dass wir uns partout nicht allein ohne Reiseleiter lostrauen in diesem großen fremden Dschungel von Stadt. Huh, schauder! Na, dann gehen sie eben allein! Sobald sie aufgebrochen sind, unternehmen wir eine gemütliche Rikscha-Tour durch die Altstadt, die zuverlässig dort wieder endet, wo sie angefangen hat. Unsere Mutigen kommen unterdessen mit Bus und U-Bahn voran. Das ist etwas billiger, geht aber viel schneller, und noch schneller ist unklar, wo man sich eigentlich befindet. Fahrpläne und Schilder beharren trotzköpfig auf chinesischer Schreibweise. Die Einheimischen sprechen sehr gern mit Fremden, allerdings ebenfalls ausschließlich auf Chinesisch. Selbst Taxifahrer können mit Englisch absolut nichts anfangen. Es wird geraten, Zettel mit der eigenen Hoteladresse bei sich zu führen, natürlich in chinesischen Schriftzeichen. In letzter Zeit führte das immerhin dazu, dass hilfsbereite Passanten den Zettelinhabern den Weg zeigten. Nur leider nicht zum Hotel, sondern zu ihrer eigenen privaten Unterkunft, die für wesentlich weniger Dollars zu haben sei. Viele mutige Mitreisende mussten in ihrer Not damitvorliebnehmen. Es wird geschätzt, dass etwa dreißig Prozent der Menschen, die illegal in Peking leben, aus mutigen Überresten längst abgereister Touristengruppen bestehen.
    In der Peking-Oper . Dieses großartige Erlebnis (so behaupten wir) ist geeignet für alle, die Peking ganz authentisch erleben wollen. Unsere Freunde des Ursprünglichen begleiten uns also nicht zur touristischen Akrobatikshow und schon gar nicht in die Karaoke-Bar. Sie erwerben ein echtes Ticket für die echte Peking-Oper und beileibe nicht für die einstündige Feriengästeversion, sondern für die originale Chinesen-Vorstellung. Die dauert drei bis vier Stunden und ist gänzlich frei von Handlung. Was erzählt wird, hat aller Wahrscheinlichkeit nach mit Kaisern, Prinzessinnen, Jünglingen, Ministern, Soldaten, Göttern, Geistern und Drachen zu tun. Durchschaubar ist es nicht mal ansatzweise. Masken und Bemalungen sind bestimmt total wichtig, und die Gesten und Haltungen der Darsteller müssen auch was Geheimes bedeuten. Auf jeden Fall. Aber was? Völlig unklar. Lässt sich so eine Aufführung wenigstens zum Schlafen nutzen? Nicht mal das! Den gesegneten Schlummer verhindert die chronisch quengelnde und sägende Musik. Von zehn Reisenden, die aus China mit einem Hörsturz heimkehren, haben ihn laut Statistik nur zwei auf dem Flug erlitten, acht hingegen während oder im Anschluss an eine Vorstellung der Peking-Oper.
    Beim schlafenden Buddha . Für spirituell fortgeschrittene Menschen bietet Peking einige Überraschungen. Die Gebäude strotzen nur so von ungünstigen Spitzen, scharfen Ecken, bedrohlichen Kanten und fiesen rechten Winkeln. Feng Shui muss hier erst noch eingeführt werden, ebenso wie Zen, Qigong, taoistische Weisheit und das I Ging. Soll ja angeblich alles von hier kommen. Aber selbst der Tempel des von Mao noch akzeptierten Kung Fu Tse alias Konfuzius fristet ein Schattendasein und wirkt ungefegtund nie benutzt. Unsere esoterischen Freunde benötigen Trost. Den können wir bieten. Wir raten ihnen, den berühmten schlafenden Buddha aufzusuchen – «mitten in einem Pfirsichgarten». Es gibt einige schlafende oder liegende Buddhas in China, die berühmtesten allerdings befinden sich in Thailand, aber dieser hier tut es auch. Selbst wenn unsere spirituell Fortgeschrittenen hinfinden (dank Foto plus Zettel vom Hotelportier), es wird lange dauern, bis sie zurückkehren. Sehr lange. Die Stille, die sie beim liegenden Buddha aufgesogen haben oder auch nicht (denn auch dort wird viel geschnattert und mit Räucherstäbchen gewedelt), diese Stille hat sich bis zur Rückkehr und vielleicht sogar für alle Zeit verflüchtigt.
    Typisch Peking
    Regen.  Es regnet in Peking selten im Hochsommer und schon gar nicht in den winddurchfegten Eismonaten, sondern in den angenehm temperierten Zwischenjahreszeiten, wenn die Reisegruppen aus dem Westen eintreffen. Die Kanalisation, wo es sie gibt, funktioniert nicht; für Abflüsse ist in den Straßen kaum gesorgt. So kommt es blitzschnell zu seenartig überfluteten Kreuzungen und zu Gischtwogen bei jedem vorbeifahrenden Auto. Einen Schirm braucht kein Tourist mitzubringen. Alle Straßenhändler verkaufen
Umbrellas
, die ungefähr einen Regen lang
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