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Alle Orte, die man knicken kann

Alle Orte, die man knicken kann

Titel: Alle Orte, die man knicken kann
Autoren: Dietmar Bittrich
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halten. Aber häufig ist es gar kein Regen, was unvoreingenommene Reisende benässt. Es ist Spucke. Vor der Olympiade leierte die Regierung eine Kampagne gegen das Spucken an. Seither wird wieder gerotzt, was die Schleimdrüsen hergeben. Ausspucken gilt als gesund, besonders in der Öffentlichkeit. Hochziehen und Kotzgeräusche gehören dazu.Der greise Volksheld Deng Xiaoping ließ stets einen schüsselgroßen Spucknapf neben sich hertragen und reinigte sich ohrenbetäubend. Weil Sekrete und Schleimbrocken gut sichtbar ausgeworfen werden müssen und weil lärmendes Niesen und feuchtes Rülpsen ebenfalls als Zeichen starker Konstitution gelten, bleibt Peking die Welthauptstadt der Atemwegserkrankungen. Nirgends verbreitet sich Ansteckendes schneller als hier. Lediglich im Auto auszuspucken gilt als unfein. Fahrer und Gäste kurbeln deshalb die Fenster herunter. Aus diesem Grund regnet es in Peking ungewöhnlich oft von der Seite.
    Fakes.  Kopieren gilt in China als eigene Kunstform. Nachgeahmte Antiquitäten von echten zu unterscheiden gelingt selbst Fachleuten nicht immer. Bei Textilien ist das anders. Für chinesische Schneider ist das täuschend echte Imitieren von Markenware eine bedeutende Einnahmequelle. Reisegruppen müssen bei der Heimkehr unglücklicherweise mit deutschen Zollbeamten rechnen, die sich auf Fernost spezialisiert haben und beim Öffnen des Koffers nicht glauben mögen, dass all diese Klamotten und Accessoires tatsächlich von Armani, Chanel und Dior sind. Auch die Monets, van Goghs und Rembrandts gehen nicht mehr einfach so durch, es sei denn, auf der Bildfläche ist an sichtbarer Stelle die Werkstatt des chinesischen Kopisten eingeritzt. Es ist ein Jammer. Denn gute Fakes zu entdecken und um fünfzig bis siebzig Prozent herunterzuhandeln macht Spaß und erleichtert das kommende Weihnachtsfest. Was an Mitbringseln bleibt, sind falsche Edelsteine und falsche Perlen (zollrechtlich unbedenklich), nicht funktionierende Feuerzeuge, die die chinesische Nationalhymne spielen, und garantiert echte Vogelgrippe-Viren von einem der zahlreichen Geflügelmärkte.
    Unverdauliche Landesspezialitäten
    Eilige Reisende begeben sich in eines der dreißig McDonald’s in Peking und deuten auf das Foto mit ihrem Lieblingsburger. Bestellung fertig. Aber das ist feige. Genauso feige ist ein Besuch der deutschen Bäckerei im German Center. Oder gar das mit gestressten Touristen überfüllte Paulaner Brauhaus im Kempinski mit Schweinebraten, Bratwurst und Weißbier. Wer landestypisch speisen möchte, lernt als Erstes die einfache Regel: Alles, was fliegt und kein Flugzeug ist, alles, was schwimmt und kein Boot ist, alles, was Beine hat und kein Möbelstück ist, kann gegessen werden. Diese überzeugende Zutatenliste macht die chinesische Küche so vielfältig. Hunde, Katzen und Ratten werden nach Auskunft der Reiseleiter nur auf dem Land verzehrt – und von denjenigen, die vom Land nach Peking gekommen sind. Gebratene Mäuse, Maden am Spieß, Heuschrecken und Skorpione zählen hingegen auch bei Städtern zu den Delikatessen. Wer sich in ein touristenfreies chinesisches Restaurant wagt, wird sich vielleicht sicherheitshalber auf den Reis plus Jasmintee beschränken oder auf das heiße Wasser mit den glibschigen Klößen. Die
Dun
genannten Eintöpfe bestehen angeblich aus Kartoffeln, Bohnen und Speck, aber sie schmecken anders. Rührei mit Tomaten oder Nudeltaschen mit unenträtselbarer Füllung scheinen unverdächtig, aber in die Experimentierlust mischt sich stets ein leises Unbehagen. Das liegt vielleicht auch daran, dass in echten chinesischen Restaurants vernehmbar geschmatzt wird und auch Rülpsen als Kundtun des Genusses gewertet wird. Üben schadet nicht. Lediglich die berühmten «Darmwinde der ewigen Harmonie» sollen vor der Tür abgehen.
    Das reicht für das Expertengespräch
    Die Experten wissen es längst: Beijing bitte, nicht Peking. Mao Zedong, nicht Mao Tse-tung. Daudedsching, nicht Tao Te King. Und gefälligst nicht einfach China, sondern «Zhōnghuá Rénmín Gònghéguó». Klingt doch gleich viel authentischer! Gewöhnlich bleibt von der Reise allerdings nur «Ni Hao» übrig, was «Guten Tag» heißt, wenn man es richtig ausspricht, und eine Fülle von Beschimpfungen enthält, wenn die Tonhöhe nicht richtig getroffen wird. «Aber wir sind damit auch in entlegenen Bezirken immer glänzend durchgekommen», zeigt den souveränen Weltreisenden. «Die Leute waren dankbar, wir wurden angestarrt wie
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