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alle luegen

Titel: alle luegen
Autoren: Meg Castaldo
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Bart war rau und stoppelig. Trotzdem war er immer noch irgendwie sexy - er hatte diese jungenhafte Sorglosigkeit, als ob ihm noch nie einer gesagt hätte, er solle mal das Geschirr spülen. So streckte er also seine Beine in Carmis Küche von sich, während ich darauf wartete, dass der Kaffee durchlief.
    »Und New York gefällt dir?«, fragte er.
    »So weit«, antwortete ich. »Ich bin gerade erst angekommen.« Ich hatte eigentlich noch nichts von New York gesehen. Aber das würde ich ihm nicht sagen.
    »Ja«, sagte er. »Ich mag New York. Die Atmosphäre.«
    Ich schenkte uns Kaffee ein; er war pechschwarz.
    »Wo kommst du her?«, fragte er.
    »Kalifornien«, antwortete ich. »Und du?«
    »Sagte ich dir schon. Schweden.«
    »Hatte ich vergessen«, sagte ich und setzte mich. Ich hatte gewusst, dass er Skandinavier war, aber Carmi hatte ihn als Norweger bezeichnet.
    »Bist du zusammen?«, fragte er. Er sah mir einen Moment lang in die Augen, während sein milchweißer Teint rot wie eine Tomate wurde.
    Ich brauchte eine Minute, um zu begreifen. »Du meinst mit jemandem?«
    Er nickte. Carmi hatte Recht - er kam wirklich schnell zur Sache.
    »Ich frage mich nur«, stotterte er.
    »Ich mich auch.«
    »Aber nur du kannst es wissen«, erwiderte er aufgeregt.
    »Du hast Recht«, sagte ich. »Nur ich kann das wissen.«
    Eine ganze Weile schwieg er. Augenscheinlich versuchte er zu begreifen, was ich ihm sagen wollte. »Du sollst mich nicht falsch verstehen«, brachte er schließlich mühsam hervor. »Ich wollte nicht ... Du brauchst nicht zu sagen ... Ich mache nur Konversation. Mein Englisch ist manchmal...« Er räusperte sich. »Ist nicht so gut.« Er lächelte mich an und betrachtete mich mit den hellsten braunen Augen, die ich je gesehen hatte - Augen, die einem überhaupt nichts verrieten, nicht einen Hauch von Gefühl zeigten. »Verzeih mir«, sagte er. »Ich entschuldige mich.«
    Er übertrieb es, aber mir gefiel, dass er sich entschuldigen konnte -eine angenehme Eigenschaft. »Schon gut«, lenkte ich ein. Beleidigt fühlte ich mich bestimmt nicht.
    »Aber«, sagte er. Es gab immer ein Aber. »Ich finde nur, dass du nervös wirkst. Ich beobachte dich und du wackelst mit dem Bein.«
    Ich hielt inne. Beinahe fühlte ich mich ertappt. »Ich bin nicht nervös«, sagte ich, obwohl mir nicht aufgefallen war, dass ich das Bein bewegt hatte. »Ich hab bloß viel... Energie!«
    »Energie«, wiederholte er flüsternd, als ob er nicht wusste, was das bedeuten sollte. Vielleicht gab es für das Wort keine Übersetzung im Schwedischen. Christian lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte einen Arm auf das Fensterbrett; er tat, als würde er irgendwas unten auf der Straße beobachten. Ich sah auf die Uhr. Dachte an Carmi. Was hatte er mit diesem skandinavischen Dandy zu tun?
    »Wie gut kennst du meinen Onkel eigentlich?«
    »Ich kenne ihn nur ein bisschen«, sagte er, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden.
    »Aber du kennst ihn.«
    Er lächelte mich an. »Ich erklär’s dir ein anderes Mal.«
    Was gab es da groß zu erklären? »Na los.«
    Er trank seinen Kaffee in einem Zug aus. »Ach, es ist eigentlich gar nichts. Wir haben ein paar Gläser zusammen getrunken. Das war alles.«
    Ich konnte mir nicht so recht vorstellen, wie die beiden einträchtig Martinis wegkippten, aber es gab Seltsameres. Christian ging durch die winzige Küche zum Spülbecken und füllte seine Tasse mit Leitungswasser. Er hatte einen kleinen, runden Mund und eine schöne, schimmernde Haut - einen Teint, für den Frauen gewöhnlich Komplimente von Männern bekamen. Er steckte seine Hände in die Hosentaschen.
    »Ich glaub, ich gehe mal.«
    »Okay«, sagte ich. Er war erst seit zwanzig Minuten da.
    »Ich muss einen Kunden besuchen.«
    »Was machst du überhaupt?«
    »Ich bin Innenarchitekt. Ich habe auf der Columbia studiert.« Er zeigte auf das Fenster, als ob die Columbia auf der anderen Straßenseite wäre. »Ich designe Sachen für ganz viele Leute in New York.«
    »Und deswegen bist du hergekommen?«
    Er nickte, wobei ihm ein paar Locken in die Stirn fielen.
    Im Hinausgehen ging er dicht an mir vorbei und berührte mit seiner Hand leicht meinen Oberschenkel. Die Berührung war so dezent gewesen, dass ich schon glaubte, sie mir eingebildet zu haben.

4
    Ich bekam einen Job bei Barneys. Es war gleich der erste, auf den ich mich beworben hatte. Man war entzückt, als ich erzählte, dass ich bei Neiman Marcus angelernt worden war, und stellte mich auf der
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