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alle luegen

Titel: alle luegen
Autoren: Meg Castaldo
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Stelle ein. Am nächsten Morgen fand ich mich in eine Abteilung mit dem Namen CO/OP verbannt wieder, eine rechteckige, etwas abgesenkte Verkaufsfläche, die allgemein als umsatzschwächster Bereich im ganzen Laden galt. Hier waren die Preise vergleichsweise niedrig; man musste schon eine ganze Wagenladung verkaufen, um eine anständige Provision zu machen. Meine neue Chefin, Olga, arbeitete schon seit acht Jahren bei Barneys, wie sie mir ohne einen Hauch von Bedauern verriet.
    »Du kannst diese Ständer da in Ordnung bringen«, sagte Olga, die ihren stämmigen Körper in ein knallenges Gummiteil gequetscht hatte. Ihr orangefarbenes Haar war struppig wie ein Besen. Ich fand meine neue Aufgabe nicht besonders prickelnd, hielt es aber für günstiger, mir Olga nicht gleich zum Feind zu machen. Also brachte ich in Ordnung. Olga sah mir zu, um sich zu vergewissern, dass ich auch den Dreh raushatte.
    Nachdem etwa eine Stunde vergangen war, rollten die ersten Kunden an. Olga stieß ein Schnauben aus und ihre gewaltigen Nüstern blähten
    sich. Dann begann sie zu verkaufen - alles und jedes. Das hätte mir eigentlich kaum egaler sein können, wenn ich nicht, um mein Geld zu verdienen, dasselbe hätte tun müssen. Ohne Provision war mein Lohn ziemlich lau. Also stürzte ich mich auf jeden Pilger, der sich mit staunenden Augen in unser Eckchen verirrt hatte, und versuchte abzuschätzen, wer sein Geld loswerden und wer sich nur umsehen wollte. Bis zur Mittagspause war Olga mir nur dreihundert Dollar voraus.
    »Du hast so was schon mal gemacht«, sagte sie, während sie einen Stapel Quittungen durchging.
    »Ja«, gab ich zurück. »In einem anderen Leben.«
    Sie nahm einen Kassenzettel und wedelte damit vor meiner Nase herum. »Und jetzt will ich dir mal was sagen.« Ihre boshaften schwarzen Augen starrten mich abschätzend an. »Du hast an meine Kundin verkauft!«
    »Was?«
    »Du hast Helene Finckle etwas verkauft.« Sie hielt mir anklagend die Quittung hin, als ob ich mich dadurch besser erinnern könnte.
    »Tut mir Leid.« Das Leben ist hart.
    »Sie ist meine Kundin.« Olga wurde lauter. »Fürs nächste Mal!«
    »Das wusste ich nicht«, sagte ich. »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?«
    »Sie lässt sich gerne von mir bedienen!«
    »Sie hat aber nicht nach dir gefragt!«
    »Das ist egal.«
    Damit hatte Olga Recht. Es war egal. Alles, was diesen Laden anging, war egal. Als ich den Job angenommen hatte, war ich der Meinung gewesen, dass niemand mit auch nur einem Fitzelchen gesundem Menschenverstand eine Lebensaufgabe in dieser Arbeit sehen würde - ganz im Gegenteil zu der Agentur, in der ich gearbeitet hatte, wo ein zündender Spruch eine Sache auf Leben und Tod war. Aber Olga bewies mir das Gegenteil.
    »Sie ist meine Kundin.« Olga deutete mit einem langen, orangefarbenen Fingernagel auf ihre Brust. »Kapiert?«
    »Ich versuche, es mir zu merken.«
    »Gut«, war sie zufrieden. »Vielleicht solltest du dir besser eine Liste machen.«
    »Oh«, sagte ich. Ich gab mir Mühe, ihrer verqueren Logik zu folgen. »Quasi zum Nachschlagen?«
    Ihr Gesicht erhellte sich. »Ja, genau ... damit du nichts durcheinander bringst.«
    »Okay«, sagte ich und nahm einen Notizzettel aus einer Schublade. Oben schrieb ich in großen Buchstaben OLGAS KUNDEN. Dann: Nr.1 HELENE FINCKLE. Ich faltete den Zettel zusammen, steckte ihn in meine Hosentasche und lächelte. Dann schickte sie mich die Treppe hinunter - Strumpf-und-Hut-Dienst. Ich war froh, dass ich ihr entfliehen konnte, fragte mich aber gleichzeitig, was noch alles auf mich zukommen würde. Ich brauchte nicht lange, um das herauszufinden.
    Als ich gerade die zweite Kasse öffnete (laut Olga war das für die Nachmittagsschicht notwendig), stolzierte ein kleiner, dicklicher Typ in grünbraun kariertem Anzug und dunkelblauer Fliege in die Abteilung. Er musterte mich flüchtig.
    »Malcolm Foxman«, sagte er. »Willkommen unter Tage.«
    »Danke«, antwortete ich. »Alex Orlando.«
    »Oh«, bemerkte er. »Italienerin.« Seine Augen versteckten sich hinter einer riesigen Brille mit Schildpatt-Rahmen. »Ich hätte auf was Exotischeres getippt. Perserin vielleicht.«
    »Tut mir Leid, dass ich Sie enttäuschen muss«, erwiderte ich im gleichen scharfen Ton.
    »Sie können nichts dafür. Es ist doch sowieso alles so banal.«
    Was würde ich mit ihm noch zu lachen haben!
    »Was machen Sie da?«, fragte er, während er über die Ränder seiner albernen Brille linste.
    »Die Kasse auf.«
    »Aber
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