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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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Podium unter der Feudalulme aufzubauen. Villaine lief mit Stelzschritten und gezierter Gestik vor den anderen auf und ab: „ Seigneurs, voulez-vous entendre un beau chant d`amour et de mort?“, hörte ihn der Trencavel in der blumenreichen Langue d`oil, der französischen Sprache deklamieren, die hier im Süden kaum einer verstand. Obwohl dem Vizegrafen das Lachen gerade gründlich vergangen war, konnte er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Offenbar studierte Villaine tatsächlich diesen lächerlichen Pfauen- oder Kranichschritt ein, mit dem er den König von Frankreich nachzuahmen gedachte - jedenfalls hatte er gestern davon gesprochen. Hélas , die Liebe und der Tod ... Der Trencavel seufzte. Das Gelächter der anderen über Villaines merkwürdige Verrenkungen schallte bis zu ihm herauf.
    Saïssac trat neben ihn. Sein besorgtes Antlitz sprach Bände.
    „Raymond, ich habe mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Ein Verlöbnis ist bindend. Es stellt einen Vertrag dar, dessen Verletzung eine schwere Buße nach sich zieht. Wilhelm von Montpellier hat diesen Vertrag mit eigener Hand unterzeichnet. Obendrein ist der Brief, den seine Witwe schickt, eine einzige Beleidigung. Ihr seid Oberlehnsherr über mehr als sechzig Ritter und diese alte Ränkeschmiedin bietet Euch die jüngere Schwester Eurer Braut wie ein Stück Vieh an, so als ob ein Trencavel jederzeit auch mit der zweiten Wahl vorlieb nehmen müsse. Wilhelm hätte das nie zugelassen, ja er würde sich vor Scham im Grabe herumdrehen, wüsste er davon! Dahinter steckt niemand anderer als …“
    „Der Bischof von Cahors?“
    Saïssac nickte. „Bartomeu von Cahors - der größte Feind der Katharer! Er hat Wilhelms Witwe beeinflusst“, sagte er grimmig. „Man erzählt sich so manches über die beiden.“
    Mit einer theatralischen Geste nahm er das dunkelgrüne Samtbarett ab, das er tagein und tagaus trug, um sich ausgiebig am Kopf zu kratzen. Sein angespanntes Gesicht zeugte nicht nur vom Alter, sondern auch von der großen Verantwortung, die ihm seit Jahren auferlegt war. „Raymond, ich fühle, dass über unser Land bald dunkle Wolken ziehen werden. Ja, dunkle Wolken … Und dieses Mal wird es nicht so glimpflich ausgehen wie seinerzeit!“
    Der Alte spielte auf eine Begebenheit an, die sich vor gut zwanzig Jahren ereignet hatte. Ein kleiner Zug war von Norden gekommen, um die Katharer zu bekehren. Doch nur ein einziger Perfekt, wie man die katharischen Priester nannte, war zum Widerruf bereit gewesen.
    Der Trencavel holte tief Luft. Die alten Geschichten des Oheims kannte er zur Genüge.
    „Lasst uns einen kühlen Kopf bewahren“, versuchte er Saïssac zu beruhigen, und er bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu verleihen. „Ich reite noch in dieser Woche nach Montpellier!“

    Seit Alix` Abreise war kein Tropfen Regen gefallen. Obwohl es auf den Herbst zuging, war es noch immer heiß wie in einem Backofen. Inés, die eigentlich Agnès wie ihre Mutter hieß, aber nie so gerufen wurde, hockte zur späten Mittagsstunde im Hof auf einer Bank und fühlte sich todunglücklich. Noch nie in ihrem Leben war sie längere Zeit von Alix getrennt gewesen, und nun vermisste sie die Gespielin und Vertraute. Am liebsten wäre sie sofort ins Kloster gegangen, um sich auf ihre Aufgabe als Vizegräfin vorbereiten zu lassen, und nicht erst in vier Wochen, wie es Pater Nicolas verfügt hatte. Aus irgendeinem Grund war aber auch die Laune der Mutter auf einem Tiefpunkt angelangt, so dass ihr jedermann aus dem Weg ging. Selbst innerhalb des Gesindes herrschte seit Tagen Unruhe.
    Niedergeschlagen, ja, zutiefst unglücklich stand sie auf, lief dreimal in weitem Bogen um die Linde herum, in der törichten Hoffnung, damit Alix herbeizuzaubern. „Jesus Christus ward verwundt`, fuhr auf zum Himmel und wurd` gesund! Jesus Christus thront dort oben, so lasset uns den Herren loben“, murmelte sie halblaut bei jeder Runde, bis sie bemerkte, dass sie von ihrem Bruder Wilhelm beobachtet wurde. Über das ganze Gesicht grinsend, saß er mit einigen Pagen im Schatten eines Mauervorsprungs beim Würfelspiel. Frech streckte sie ihm die Zunge heraus, worauf der Bruder die beinernen Würfel nach ihr warf. Inés ging geschickt in Deckung. Sie weigerte sich jedoch, die Knöchelchen aufzuheben, so dass den beiden Pagen nichts anders übrig blieb, als im Staub herumzukriechen, und sie zu suchen.
    Inés war nie ein kämpferisches Kind gewesen, doch Alix hatte sie im
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