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Alien 2: Verborgene Harmonien

Alien 2: Verborgene Harmonien

Titel: Alien 2: Verborgene Harmonien
Autoren: Paul J. McAuley
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Männchen,
von denen sie nicht abgewiesen wurden, ehe sie sich dorthin
zurückzogen, was Webster – wieder so ein romantischer
Anthropomorphismus von ihm – die ›Ursprungshöhle‹
genannt hatte. Dort legten sie ihre befruchteten Eier und starben.
Ihre Körper dienten der schlüpfenden Brut als Nahrung.
    All die Scheinsäugetier-Arten auf Elysium wiesen irgendwelche
Varianten in diesem Lebenszyklus auf. Sumpfschweine legten ihre Eier
nicht, sondern verfielen in eine Art Winterschlaf und wurden durch
ihre Jungen von innen her aufgefressen; Säbelzähne, die
größten Landräuber, legten ihre Eier in das Fleisch
ihrer paralysierten Beute, und so fort. Webster vertrat die Theorie,
daß diese nekrogenetischen Lebenszyklen eine Anpassung an das
trockenere, kältere Klima waren, entwickelt von Tieren, die die
Evolution für die sumpfige tropische Welt hervorgebracht hatte,
die Elysium einmal war und in einiger Zeit wieder sein würde,
wenn der instabile Stern Tau Ceti wieder einmal heißer
aufflammte. Es war eine Theorie, die de Ramaira zu gegebener Zeit
einmal genauer überprüfen wollte. Und Zeit hatte er genug
– sein ganzes restliches Leben. Doch zuerst waren die Aborigines
an der Reihe, und obwohl er es sich selbst nicht eingestehen wollte,
fand er es allmählich langweilig, sie lediglich aus der Ferne zu
beobachten. Ihm fehlte einfach die Geduld des Ethnologen. Inzwischen
hatte er mehr als ein Dutzend Aktivitäten ausmachen können,
die alle den Beschreibungen Websters ziemlich nahekamen. Als seien
die Aborigines kaum mehr als programmierte Roboter, als verrichteten
und vollendeten sie wie die Ameisen oder Bienen ihre offensichtlich
gezielten Tätigkeiten aus einem mehr oder weniger blinden
Instinkt heraus. Nur die Jungen zeigten Ansätze eines freien
Willens. De Ramaira stellte sich vor, wie es wäre, ein frisch
geschlüpftes Junges zu stehlen und es zur Intelligenz zu
erziehen. Vielleicht würde es ihn prägen – wie
Lorenz’ Graugänse. Nun, wenigstens hatte er die Echtheit
von Websters detailgetreuen Aufzeichnungen geprüft, aber nichts
Neues entdeckt.
    Schließlich beorderte er seine Sonden zurück und begab
sich zum Lager. Der Junge hatte sich im Schatten des Zeltes
ausgestreckt. Sam richtete sich ein wenig auf und knurrte:
»McAn’ers is noch nich’ zurück, un’ wir
schlafen ’n bißchen.«
    »Sie ist aber jetzt schon lange weg, nicht wahr?«
    »Yeah, ’ne ganze Zeit«, grollte Sam und schlief
weiter.
     
    Die Sonne war am westlichen Horizont verblutet, Jonthan hatte das
Campfeuer geschürt, und de Ramaira zu Abend gegessen, doch der
Lieutenant war noch immer nicht zurück. Jonthan hockte beim
Feuer und starrte in die Dunkelheit. Der Flammenschein, der über
seinen nackten, schlanken Körper spielte, ließ ihn wie
eine Gestalt von Michelangelo erscheinen, dachte de Ramaira, der
gelegentlich von seinem Buch aufschaute.
    Er arbeitete sich gerade durch eine kurze, knappe
Reisebeschreibung: Zwanzig Tage jenseits der ersten Vorberge
erreichen wir eine Hochebene. Ein lahmendes Pferd geschlachtet, um
Fleisch zu bekommen. Böiger kalter Regen.
    De Ramaira fragte den Jungen nicht danach, was er dachte. Er hatte
sein Herz verschlossen – sein einziger Schutz in der ganzen
Affäre. Er war nur Beobachter, nicht mehr.
    Schließlich richtete Jonthan sich auf und nahm das Gewehr.
»Ich werde mich mal nach ihr umsehen. Sie kommen besser mit,
Doktor.«
    Obwohl der große Mond über den Trackless Mountains
aufgegangen war, überzog sein kalter Schein das Grasland mit
einem Gewirr täuschender Schattenmuster. Ein gleichförmiges
Dunkel wäre besser gewesen. De Ramairas Pferd, bei Tag sanft und
gleichmütig, scheute ständig aus Gründen, die seinem
Reiter verborgen blieben, oder stolperte auf dem unebenen Boden.
Etwas weiter voraus zeichnete Jonthans Taschenlampe einen
schwankenden gelben Kreis ins Zwielicht und enthüllte
gelegentlich den grasüberwucherten Pfad, auf dem der Junge den
schwachen Spuren des Lieutenants folgte. Einmal verlor er sie fast
zehn Minuten lang, und ihm riß vor Sorge fast die Geduld.
    »Besorg dir gefälligs ’n verdammten Bluthund, wenne
auf Spurensuche gehs«, knurrte der Hund. Doch schließlich
fand Jonthan die Spur wieder, und sie ritten weiter.
    Zehn Minuten später stießen sie auf das Pferd des
Lieutenants, das mit angelegtem Zaumzeug ruhig im Mondlicht stand.
Das Auffinden des Lieutenants dauerte wesentlich länger, selbst
mit Sams Hilfe. De Ramaira mutmaßte schon, das Pferd habe
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