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Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Titel: Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
Autoren: Paul J. McAuley
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weder zu dieser noch zu
jener Welt und wurde zum Opfer der Frustrationen der anderen.
    Die meisten der nichtjapanischen Schüler, die gaijin, reflektierten lediglich die Vorurteile ihrer Eltern und
beschränkten sich auf höhnische Bemerkungen und
Hänseleien. Nur ein Mädchen, Suzi Delong, fand besonderes
Vergnügen daran, jedes Japaner-Kind, das noch klein genug dazu
war, zu quälen. Zu diesem bewußten Zeitpunkt platzte sie
fast vor Boshaftigkeit, und ihre dünnen Arme und Beine bebten,
während sie Dorthy mit einer Hand festhielt und mit der anderen
kräftig in deren Arme kniff. Dabei stieß sie pausenlos
Verwünschungen aus: Alle Japsen würden stinken, sie sollten
sich davonscheren und den richtigen Leuten Platz machen, sollten
dahin zurückgehen, woher sie gekommen waren, und die anderen
Menschen in Ruhe lassen. Ihr Gesicht lief rot an, ihre
Verwünschungen wurden immer ausgefallener – eine
unaufhaltsame Flut, der sich Dorthy nicht zu entziehen wußte.
Ihr ganzer Körper bebte vor Entrüstung und Scham,
während sie sich in der Umklammerung ihrer Gegnerin wand, und
Tränen stiegen ihr in die Augen, ließen die Nase
prickeln.
    Und in dieses Prickeln hinein formte sich unversehens ein Bild.
Dorthy wußte nicht, wo es herkam, hörte sich aber
plötzlich aus seiner hell scheinenden Mitte heraus sprechen:
»Deine Mutter veranstaltet gerade ein nettes Spielchen mit
Seyour Tamiya. Sie spielen es ohne jeden Fetzen Kleidung am
Leib.«
    Dann war das Bild verschwunden – und Suzi rannte mit ihren
X-Beinen über den Spielplatz davon. Dorthy rieb sich die
schmerzenden Arme und war froh, endlich in Ruhe gelassen zu werden.
Aber eine der Lehrerinnen hörte von der Sache. Nach dem
Unterricht mußte Dorthy mit ihr zu Seyoura Yep, der
Schulleiterin.
    Seyoura Yep, eine große blasse Frau, saß aufrecht
hinter einem Schreibtisch mit integriertem gläsernen Bildschirm.
Dorthy stand vor dem Tisch und sah zu, wie die Leiterin mit einem
Gerät, das wenig Ähnlichkeit mit einem Stift hatte, auf das
Glas schrieb. Sie schrieb lange, ehe sie das Ding endlich mit einem
energischen ›Klick‹ beiseite legte. Dann faltete sie die
großen weißen Hände zusammen und fragte, was es
gebe.
    Über Dorthys Kopf hinweg schilderte die Lehrerin die
Angelegenheit. Seyoura Yep wandte dabei keinen Blick von Dorthy.
Zuerst wurde dem Mädchen heiß, dann kalt. Irgend etwas
schien sie angestellt zu haben. Aber war das nicht alles Suzis
Schuld, hatte sie nicht zuerst angefangen? Schließlich hatte
Suzi ihr weh getan, das bewiesen doch all die dunklen Flecken auf
ihren Armen. Aber Dorthy war noch zu jung und wagte nicht, die
willkürliche Autorität der Erwachsenen in Frage zu stellen.
Außerdem war sie es, die hier im Büro der Schulleiterin
stand. Also mußte sie etwas angestellt haben.
    Schließlich kam ihre Lehrerin zum Ende. Seyoura Yep seufzte
und lehnte sich über ihre gefalteten Hände nach vorn.
»Nun, wir sollten keine Märchen erzählen, nicht wahr?
Suzis Eltern haben zwar Probleme. Du darfst sie aber nicht damit
ärgern. Verstehst du das, Kind?« Sie schrieb etwas auf das
Glas und drückte auf einen Knopf. Aus einem Schlitz kam ein
kleiner Bogen Papier. Seyoura Yep riß ihn ab und sagte:
»Zeig das deinen Eltern. Und tu so etwas nicht wieder,
ja?«
    Dorthy nahm den Zettel und sah ihre Lehrerin an. Sie schickte sie
hinaus. Während sich die Tür langsam schloß,
hörte Dorthy Seyoura Yep leise sagen: »Diese Japsen. Leben
immer noch wie zu Zeiten des Überflusses und der Verschwendung.
Jedenfalls die meisten. Sie sind fast so schlimm wie die
Yankees.«
    Nachdem Dorthys Vater den Zettel gelesen hatte, zog er den
Gürtel aus der Hose und versetzte Dorthy der Form halber damit
drei Schläge über den Po. Sie waren nicht sonderlich
schmerzhaft, und Dorthy nahm sie gern in Kauf, denn Suzi ließ
sie seitdem in Ruhe. Dorthy vergaß die Sache mit dem Bild, das
aus dem Nichts aufgetaucht war, bis zu dem Moment zwei Jahre
später, in dem sich ihr TALENT zum zweitenmal bemerkbar
machte.
    Dieses zweite Mal begann mit einem Traum.
    Eins der Kinder aus dem Wohnblock, ein Junge kaum älter als
Dorthy, verschwand plötzlich. Die Eltern gingen von Tür zu
Tür und fragten nach ihm. Später kamen dann zwei Polizisten
vom Werkschutz der Fabrik und machten viel Wirbel, als sie die
Wohnungen durchsuchten, konnten aber den Jungen auch nicht finden. Am
nächsten Tag untersagten die Erwachsenen ihren Kindern das
Spielen auf der Straße. Die Frauen waren aufgeregt
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