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Alice at Wonderland

Alice at Wonderland

Titel: Alice at Wonderland
Autoren: Bunzel Gaw
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der Karre gesehen wird. So wie damals mit Pablo. Und wenn ich hören will, wie jemand das R rollt, kann ich mir auch eine Sendung mit Carolin Reiber ansehen. Also streiche ich Latino von der Liste und überlege weiter.
    Ich werde mir heute was Schönes kochen. Genau, dar auf habe ich Lust. Leider bekomme ich eine Mail von Alex, in der er sich dafür entschuldigt, dass er mir mein Single-Kochbuch noch nicht geschickt hat. Aber er würde es garantiert nach dem Wochenende losschicken. Angeb lich war die Postfiliale, in der er es aufgeben wollte, wegen Überfalls geschlossen. Eine dämlichere Ausrede habe ich zwar noch nie gehört, aber davon werde ich mir den Tag nicht verderben lassen. Schade nur, irgendwie klang Alex in seiner letzten Mail ziemlich nett. Zumindest nicht wie
    jemand, der einen Überfall erfinden muss, um die Tatsache zu vertuschen, dass er schlicht und ergreifend verpennt hat. Soll er halt früher aufstehen. So wie ich. Gut, das war jetzt nicht ganz fair, aber was soll's. Auf das Buch kann ich auch noch ein paar Tage warten. Das würde auch den Konkurs des China-Imbiss um die Ecke noch eine Weile hinauszögern.
    Also koche ich nichts, beschließe ich, sondern lasse mir etwas Leckeres vom Chinesen kommen. Dann leihe ich mir eine DVD aus (ohne dass ich mich mit jemandem streiten muss, welcher Film geguckt wird) und werde mit einem Fläschchen Wein einen gemütlichen Abend zu Hause verbringen.
    Das ist mein Plan. Ich greife zum Telefon und frage Ruth, ob sie Lust hat, da mitzumachen. So einen ähnlichen Plan hatte Ruth auch, und eine Stunde später finden wir uns beide im Cafe Dezentral wieder, um bei einem zweiten Frühstück zu besprechen, worauf wir heute eigentlich Lust haben.
    Da das Cafe Dezentral ziemlich zentral am Anfang der Fußgängerzone liegt, ist es der ideale Treffpunkt, um von hier aus die Innenstadt unsicher zu machen. Leider ist es auch der ideale Treffpunkt für verkappte pseudointellek tuelle Bohemiens - unrasierte Mittvierziger, die mit Vor liebe schwarze Rollkragenpullis tragen und die Artikel in der Süddeutschen mit Bleistift anstreichen. Und dann ist das hier noch ein Treffpunkt für Schwule, die ihren One-Night-Stands von außerhalb mal ein Etablissement mit städtischem Flair zeigen wollen. Schließlich, nach dem die Besitzer vom Dezentral ordentlich die Preise angezogen haben, treffen sich hier auch reihenweise Me dien-Yuppies, die jedem, der es nicht wissen will, unter die Nase reiben, dass sie beim Fernsehen arbeiten. Denen ist es egal, ob die Tomatensuppe 9,80 Euro kostet - man muss sich ja schließlich Refugien schaffen. Entsprechend

gereizt ist die Atmosphäre, die auch nicht dadurch ent spannt wird, dass die Bedienung sich durch arrogantes Verhalten interessanter machen will. Kurzum, ein typi sches Großstadtcafe.
    Schon nach einer knappen Dreiviertelstunde bekommen wir unsere Croissants mit Nusspli serviert. Ruth erkennt den Unterschied sofort, aber ihre Reklamation »das ist kein Nutella!« wird vom Personal geflissentlich überhört. Unsere Getränke kommen dann aber bezeichnenderwei se erst eine halbe Stunde später. Wir hatten beide einen großen Milchkaffee bestellt, der letzte Woche noch Caffe latte (mit Betonung auf dem »te«) hieß, und jetzt als »Cafe leche caliente« auftritt (mit einem f). Für jede Namensän derung werden hier übrigens 20 Cent Aufpreis verlangt.
    Gerade als ich überlege, ob ich mich aufregen soll, erinnert mich Ruth daran, dass wir ja heute unseren Single-Tag haben. Gut, denke ich, und schaue mich um, ob hier brauchbare Männer anwesend sind. Ein Typ, schätzungsweise Mitte zwanzig, schlürft genüsslich einen Sekt. Er sieht eigentlich ganz gut aus, und als Ruth den Kellner lautstark darum bittet, das »Nutellaglas« sehen zu dürfen, wird er auf uns aufmerksam. Und da sitzt er auch schon an unserem Tisch. In den nächsten sechzig Sekun den erfahren wir, dass er Christoph heißt, beim Fernsehen arbeitet, uns beide ganz groß rausbringen will und zufäl lig noch heute mit einer Reihe von Mädels ein Weekend- Casting in einer Villa in der Eifel durchführt. Zwei Plätze wären noch frei. Ruth und ich nehmen Blickkontakt auf. Sie denkt das Gleiche wie ich. Als wir noch überlegen, wie wir elegant hier rauskommen, liefert der selbstherrliche Medienhai uns eine 1-a-Vorlage:
    »... meine große Stärke ist, dass ich viel Humor habe und selbst über mich lachen kann. Wie wär's mit der Telefonnummer, Mädels!«
    »Prima, schreib sie hinten auf
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