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Alice at Wonderland

Alice at Wonderland

Titel: Alice at Wonderland
Autoren: Bunzel Gaw
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man ernährt sich ausschließlich von korsischem Kernschinken. Pastete jedenfalls fällt schon beleidigt in Ohnmacht, wenn man sie nur aus der Verpackung holt. Fast immer alles allein tun zu müssen lässt sich kaum än dern, wenn man nicht auch noch seine letzten drei Freun de in die Flucht schlagen will. Die wollen nämlich wenigs tens ab und zu auch was allein tun. Vorgestern haben sie mich wieder als Letzte um drei Uhr nachts auf die Straße gesetzt. Und dabei war ich nur mal kurz auf einen Kaffee vorbeigekommen, nachmittags.
    Aber für das andere Problem gibt es eine Lösung: das Sin gle-Kochbuch. Ersonnen von vermutlich allein stehenden Köchen, die dieses phantastische Werk zusammengestellt haben mit einem einzigen, hehren Ideal: reich zu werden. Das dürfte ihnen gelungen sein. Ihr Büchlein steht in je dem Einpersonenhaushalt in Deutschland, ausgenommen nur die Anhänger der Mikrowellen-Fraktion. Aber die gehen in Kürze allesamt an einer Überdosis Glutamat drauf, während die glücklichen Besitzer jenes völlig überteuerten Büchleins abends zu Hause vor einem singlegerecht por tionierten Osso Buco sitzen. Natürlich immer noch allein. Vielleicht ein wenig deprimiert darüber. Beim sechsten Glas Bardolino allmählich in Tränen ausbrechend, aber wohl wissend, dass das gute Essen completo da landet, wo es hingehört. Im Magen und nicht in der Mülltonne. So weit die Theorie.
    Ich stehe beim Bäcker in der Schlange, und im Regal, direkt hinter dem Meister des Mehls, entdecke ich dessen neueste Kreation. Das Single-Brot. Vollkorn, kaum grö ßer als ein Frühstücksbrötchen, aber zwanzigmal so teuer. Und es steht ganz groß auf dem Schild darunter: Single-Brot! Aha, extra für uns, denke ich. Und der Bäcker hat vermutlich einen Marketingstrategen zu Rate gezogen. Denn sein Produkt deckt sich vollständig mit der allge meinen Einschätzung eines Singles: gesundheitsbewusst, eigentlich nie wirklich hungrig und auf jeden Fall Besit zer einer Platin-Kreditkarte. Nur wirklich kleingeistige Menschen würden behaupten, dass es, Vollkorn hin oder her, eine Unverschämtheit ist, für einen gerade noch mit bloßem Auge wahrnehmbaren Mehlklumpen mehr zu verlangen als für ein Sechspfünder-Mehrfamilien-Rog genbrot. Die Sache hat einen anderen Haken. Kein Single wird das Brot jemals kaufen. Es gibt nämlich etwas, das noch peinlicher ist, als beim Volksmusikhören ertappt zu werden: sich öffentlich als Single outen. Single sein hat den Ruf einer hochvirulenten Krankheit, für die es kein Gegenmittel gibt. Es kommt gleich nach Lassa, Ebola und Dieter Bohlen. Schon Freunde und Bekannte begegnen einem nur mit Mundschutz, latente Vorwürfe lauern: »Wieso ausgerechnet du? Konntest du nicht ein bisschen aufpassen?«
    Bei ihnen habe ich zumindest einen fragilen Waffenstill stand durchsetzen können. In meinem Bekanntenkreis besteht inzwischen Konsens darüber, dass allein der Man gel an brauchbaren Männern an meiner Misere schuld ist. Das ist Teil des Konsenses: dass es sich dabei um eine Mi sere handelt. Den Glauben lass ich ihnen, damit kann ich leben.
    Aber in der Öffentlichkeit kommt das Eingeständnis, Single zu sein, einem sozialen Todesurteil gleich. Grell leuchtet das Stigma des Versagens auf der Stirn. Nervöse Blicke voller Abscheu und Angst überall. Abscheu, weil die meisten glauben, perversen Lüstlingen gegenüberzu stehen, die die gesellschaftlichen Grundfesten untermi nieren; Angst, weil ein Single ihnen vor Augen führt, wie wackelig ihre eigenen Beziehungen sind. Kleine Kinder bekommen sattsam bekannte Ratschläge: »Pass auf, sonst wirst du wie die da. Oder der da.«
    Dabei haben es Single-Männer mal wieder einfacher. Die pappen sich das Label der Freiheit, des eigenen Wil lens und einer gewissen Resistenz gegen vorschnelles Altern ans Revers. Die sind fein raus. Solange sie nicht Uwe-Peter heißen und zur Empfängnisverhütung das Hodenbaden praktizieren. Uns erwischt es dagegen rich tig. Allein stehende Frauen sind entweder lesbisch, frigide oder beides.
    »Sie wünschen?«, fragt mich der Bäcker.
    »Ich bin vollkommen gesund. Normal und gesund«, rutscht es mir heraus.
    »Das freut mich für Sie«, entgegnet er, »aber ich bin Bä cker und kein Arzt.«
    Komiker. Ich schaue ins Regal und versuche dabei, das Single-Brot keines Blickes zu würdigen. Aber das ver flixte Ding zieht mich magisch an. >Kauf mich. Ich hab genau die richtige Größe. Und du hast doch 'ne Kredit karte. Wenn auch nicht
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