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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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Dann erzählt sie mir, dass sie vor drei Tagen in Long Beach einkaufen war. Alles sei ziemlich hektisch gewesen, die Straßen voll, genau wie die Kaufhäuser und Supermärkte. In ihren Gedanken verfluchte Monica all die Vollidioten, die in der Schlange an der Kasse mit Kleingeld bezahlten oder auf dem Bürgersteig nicht Platz machten, wenn sie mit ihren Einkaufstaschen vorbeikam. Voller Wut stapfte sie an einem kleinen Park vorbei, der in der Nähe der Strandpromenade lag. Eine überschaubare Gruppe von Menschen hatte sich um einen Straßenprediger geschart. Man lauschte andächtig seinen Worten. Die meisten Passanten aber gingen achtlos vorbei. So auch Monica. Sie war schon einige Meter weiter, als sie plötzlich ein paar Wortfetzen des Predigers vernahm.
    »... oder Monica. Sie ist verbittert und unversöhnlich. Aber der Herr liebt auch sie und will ihr ein gutes Leben schenken, wenn sie bereit ist, ihn anzunehmen ...«
    »Was für ein Zufall, dachte ich«, sagt die Frau auf der Bank neben mir grinsend und fingert den Nikotinkaugummi wieder aus der Folie, »er hat sicherlich irgendeine Monica gemeint, aber ich fühlte mich angesprochen !«
    Sie habe die halbe Nacht wach gelegen, fährt Monica fort, und über die Worte des Predigers nachgedacht. Und plötzlich bekam alles einen Sinn. Ihr wurde klar, dass sie vom Weg abgekommen war und dass sie ihr Leben so, voller Hass und Missgunst, nicht fortsetzen konnte.
    »Ich fing jetzt nicht plötzlich über Nacht an religiös zu werden«, erklärt sie, »aber ich hatte das Gefühl, ich müsste mein Leben zum Positiven ändern. Ich wollte ein besserer Mensch werden. Ich rief meinen Chef an, Hank und meinen Ex-Freund und bat sie aufrichtig um Verzeihung für das, was ich getan hatte .«
    Ihre Entschuldigung wurde von keinem von ihnen ernst genommen, da war Monica sich sicher, aber das war zweitrangig. Sie hatte es ernst gemeint und war zum ersten Mal seit Jahren von tiefstem Herzen aus ehrlich gewesen. Und das war das Wesentliche.
    »Als ich am nächsten Tag aus dem Haus ging, war ich unendlich glücklich«, erklärt Monica mir weiter, »mich nervten weder die Busfahrt noch der Job. Ich war freundlich zu den Menschen und stellte fest, dass die meisten Menschen auch freundlich zu mir waren .«
    Monica nimmt meine Hände in ihre. Sie fühlen sich warm (an und geben mir ein bisschen Geborgenheit.
    »Alice, alles verläuft nach Plan. Ich bin sicher, der ganze Stress in deinem Urlaub, der dich so fertig macht, die Sorge um deinen Steve ," alles setzt sich irgendwann zu einem großen Puzzle zusammen, dass dieser Reise einen höheren Sinn verleiht. Alles, was du tun musst, ist, ein guter Mensch zu sein, und dein Leben wird gut verlaufen !«
    Ehe ich noch etwas sagen kann, steht Monica auf und verabschiedet sich. Ihre Mittagspause sei zu Ende. Sie winkt mir noch einmal freundlich pfeifend zu, als sie sich unter die Fußgänger am Santa Monica Boulevard mischt. Ich schaue ihr nach. Was für eine seltsame Begegnung. Mein erster Gedanke ist: Die Alte hat irgendwie einen Schaden. Sie ist nett, aber hat einen Schaden. Was" hat sie da gerade von sich gegeben? Ein wildfremder Prediger, der ihren Namen ausspricht und ihr über Nacht eine spirituelle Erkenntnis vermittelt. Ich meine, bei aller Sympathie, aber wer weiß, ob der ganze Sermon, den sie mir da erzählt hat, überhaupt stimmt. Instinktiv greife ich nach meiner Handtasche. Gott sei Dank, sie ist noch da und mein Portemonnaie auch. Wäre ja auch noch schöner, wenn ich auf den alten Taschendiebtrick reingefallen wäre.
    Ich stehe auf, setze mich ziellos in Bewegung. Schließlich habe ich mir ja den Tag freigenommen von meinen Reisebegleiterinnen, also kann ich mich treiben lassen, wie ich will. Der warme Wind aus den Bergen oberhalb der Stadt weht mich zum Sunset Boulevard. Sicher ist die Geschichte mit der Auspackerin in einer Boutique frei erfunden. Könnte mir vorstellen, dass Monica arbeitslos ist und den Tag damit verbringt, fremden Menschen im Park erfundene Geschichten zu erzählen. Ich schleiche an ein paar Designer-Läden vorbei und  spioniere durch die Schaufenster. Dachte ich's mir doch. Keine Spur von der ehemaligen Millionärin.
    »Hi, Alice!«
    Ich schrecke zusammen. Monica steht hinter mir, ein paar große Pappkartons auf dem Arm. Sie lacht fröhlich und bittet mich, ihr die Tür zu einem Geschäft aufzuhalten. Ich tue es. Schon ist sie mit ihrer Last darin verschwunden.
    Na schön. Das mit dem Packjob stimmt
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