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Alfons die Weihnachtsgans

Alfons die Weihnachtsgans

Titel: Alfons die Weihnachtsgans
Autoren: Kari Koester-Loesche
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Hallig zur Bundeswehr? Bist du nicht ein wenig zu jung für den Wehrdienst? Oder willst du bei denen nur schlafen?«
    »Was geht Sie das an?«, fragte Tore erbost und ärgerte sich selbst darüber, dass ihm keine beleidigende Antwort einfallen wollte.
    Er wandte sich demonstrativ ab und beobachtete seinen Großvater, der gerade den Motor anwarf und sich danach aufdie Plattform schwang, von der aus er die Lore fahren würde. Danach stellte er den Scheinwerfer an, und die Lore rollte los.
    Tore hielt mit einer Hand den Verschlag der Gans fest, der inzwischen ebenfalls durch eine Plane geschützt war, und winkte seinem Vater mit der anderen zu. Dann ging es am kleinen eckigen Leuchtturm schon scharf um die Kurve und auf den Deich hoch. Die Anfahrt auf die Deichkrone dauerte ein paar quälend lange Sekunden, dann ratterten sie schneller auf der Seeseite hinunter.
    Hinter ihnen verschwanden die Häuser von Dagebüll, der Lorenbahnhof und der Vater außer Sicht. Vor ihnen breitete sich das Wattenmeer aus. Zwischen dem Wasser und dem Himmel war gar kein Horizont zu sehen. Nur ein endloser Schienenstrang, der in den Nebel hineinführte. Und zur Hallig Oland, über die Tore schon oft gefahren war.
    Sie waren noch nicht lange unterwegs, als Fedder abbremste und von der Lore heruntersprang. Er bediente eine Weiche, worauf sie langsam auf ein kurzes Nebengleis rollten, wo sie stehenblieben. Als Opa den Motor ausgestellt hatte, herrschte Stille.
    Der Deich hinter ihnen war nicht mehr zu sehen, Oland vor ihnen auch nicht, nur Schienen, Schwellen und Nebel, obwohl sie erst bei der »Fünfzehnhunderter« waren, der Ausweichstelle, die anderthalb Kilometer vom Festland entfernt war.
    »Warten wir auf etwas?«, erkundigte sich der fremde Mann, der bisher kein Wort von sich gegeben, aber unablässig die Umgebung gemustert hatte.
    Der war noch nie im Wattenmeer gewesen, darauf hätte Tore wetten können.
    »Ja. Auf den Gegenverkehr«, antwortete Opa Fedder bedächtig. »Der lässt heute auch auf sich warten. Alles verspätet sich heute.«
    »Die Züge auch. Zwischen Bremen und Hamburg haben wir ungefähr eine halbe Stunde auf offener Strecke gestanden. Und ich habe meinen Anschluss verpasst. Unverschämtheit, so etwas!«
    »Nun, ja. Weihnachtstrubel, Herr Meier«, sagte Fedder friedfertig.
    »Woher wissen Sie eigentlich, dass einer entgegenkommt?«
    »Er wurde mir angekündigt. Ein Oländer. Aber noch ist nicht einmal sein Scheinwerfer zu sehen. Es kann also dauern.«
    »Und was hat das zu bedeuten? Macht das etwas aus?«
    »Mir nicht. Aber vielleicht Ihnen. Es wird bald dunkel, außerdem ist die Sicht wegen des Nebels sowieso schlecht. Und das Wasser läuft auf. Im Sommer ist das alles spannend für Gäste ...«
    Meier lachte. »Ach, mich kann man so leicht nicht erschrecken.«
    Angeber, dachte Tore. Der Kerl fröstelte jedenfalls. Er hatte inzwischen eine Pudelmütze und Handschuhe aus seiner Reisetasche geholt, und die Wolldecke bis zum Hals hochgezogen, ohne das Zittern unterdrücken zu können. Die Tasche war wasserdicht, eine von der Sorte, die man auch auf Sportboote mitnahm. Tore hatte inzwischen herausgefunden, warum die Tasche so viel besser auf das Wetter und die Hallig als Meiers Kleidung ausgerichtet war: Es befanden sich in ihr gleich mehrere Fotoapparate. Sie sahen teuer aus.
    »Dann ist es ja gut«, bemerkte Opa Fedder und verfiel wieder in Schweigen.
    »Opa, fliegen die Puken entlang der Schienen oder über offenes Wasser, wenn sie ihren Weihnachtsausflug nach Langeness machen?«, erkundigte sich Tore.
    »Die Puken?«
    »Ja, die Puken«, bestätigte Tore ein wenig verwundert. Was war denn an seiner Frage so merkwürdig? »Onkel Calle hat mir erzählt, dass sie sich Ringelgänse als Taxi nehmen. Die Puken sind unsichtbar, aber die Gänse doch nicht.«
    »Ach so, ach so«, sagte Opa Fedder hastig. »Die Taxigänse meinst du. Ja, die fliegen auf Sicht entlang der Schienen. Ist praktischer für sie. Auf Kompass und GPS-System können sie dadurch verzichten, weißt du? Scheint altmodisch, aber sie sind schneller ohne das Gewicht eines Ortungsgerätes.«
    »Habe ich mir genau so vorgestellt«, sagte Tore zufrieden. »Ich würde gerne mal einen Puken sehen. Vielleicht, wenn sie nach den Weihnachtsfeiertagen wieder zurückfliegen.«
    »Könnte sein«, sagte Opa zustimmend.
    Meiers stechende Blicke wanderten zwischen Tore und seinem Großvater hin und her, während er die Lippen abfällig schürzte.
    Tore kraulte die Gans mit
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