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Alfons die Weihnachtsgans

Alfons die Weihnachtsgans

Titel: Alfons die Weihnachtsgans
Autoren: Kari Koester-Loesche
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seiner warmen Hand und verbarg die kalt gewordene im Schlafsack zwischen den Beinen. Solange er zur Hallig gefahren war, hatte er eine solche nebelfeuchte, beißende Kälte noch nicht erlebt.
    Inzwischen war er richtig dankbar für die Umsicht seines Vaters. Und schließlich handelte es sich ja um einen olivgrünen Schlafsack von der Bundeswehr. Wenn man es genau bedachte, sah er darin überhaupt nicht nach Weichei aus. Eher schon der Fotograf, der mit den Zähnen klapperte.
    Die Gans fror nicht, und Angst schien sie auch nicht zuhaben. »Wer bekommt eigentlich die Gans, Opa?«, fragte Tore. »Ist ein Ganter, oder?«
    »Stimmt, das ist einer. Der kommt auf die Ketelswarf in die Bratenröhre. Anke hat ihn bestellt. Angeblich hat er sogar einen Namen. Alfons.«
    Tore schnappte nach Luft. »Alfons von Onkel Calle! Das geht nicht, der ist doch kein Weihnachtsbraten! Der ist ein Ganter, der seine Gänse gegen Feinde verteidigt und ihnen zeigt, wo es etwas Gutes zu essen gibt.«
    »Dafür bin ich nicht verantwortlich, Tore«, sagte Fedder bedauernd. »Calle und Anke haben es so vereinbart. Ich fahre Alfons nur. Und er ist nicht die einzige Gans, die in diesen Tagen, gefroren und ausgenommen, zur Hallig reist, glaub mir.«
    »Das hilft ihm doch nicht!«, schimpfte Tore erbittert. »Überhaupt finde ich es nicht christlich, zum Weihnachtsfest Tiere zu morden!«
    »Stell dir vor, du bekämst ausgerechnet an Weihnachten nur Knödel oder Pasta!« Der junge Mann grinste.
    Tore schnaubte grimmig. »Knödel oder Pasta essen wir sowieso nicht, sondern Kartoffeln«, hieb er heraus.
    »Nun werde mal nicht patzig, ja?«
    »Bin ich doch gar nicht«, widersprach Tore sauer. »Ich habe Sie nur aufgeklärt. Und es ist ungerecht, dass ausgerechnet Alfons in die Pfanne soll! Was hat er Anke denn getan?«
    »Wahrscheinlich nichts«, bemerkte der Kerl gleichgültig. »Es handelt sich einfach um einen Brauch. Ich jedenfalls hoffe sehr, dass der Wirt auf Hilligenlei mir als Weihnachtsbraten eine knusprige Gänsekeule mit Knödel serviert.«
    »Mit Kartoffeln«, warf Opa Fedder ein. »Wir essen Kartoffeln zur Gans. Allerdings könnte es auch sein, dass SörenIhnen auf der Hallig geschossene Wildente mit Rotkohl vorsetzt. Die ist bei uns Tradition zu Weihnachten.«
    Jetzt grinste Tore dem Mann namens Meier direkt ins Gesicht. Nun war der sauer.
    Tore war sehr zufrieden mit seinem Sieg. Er konnte es getrost seinem Opa überlassen, Meier zu unterhalten. Er begann wieder mit Alfons zu schwatzen, gedämpft, damit er etwas vom Gespräch der Erwachsenen mitbekam, wenn er dazu gerade Lust hatte.
    Im Augenblick allerdings weniger. Tore fand schon, dass der Gegenverkehr nun allmählich eintrudeln sollte. Er beabsichtigte ja nicht, die Nacht auf den Schienen zu verbringen. Oma würde ein leckeres Essen servieren, und dann hätte vielleicht jemand Lust, mit ihm zu spielen. Sein neuestes Spiel befand sich im Gepäck. Auf der Hallig hatten sie ja nur Mensch-ärger-dich-nicht und Karten für Skat und Doppelkopf. Die interessierten ihn nicht.
    »Vielleicht schaffen es die letzten Tannenbäume noch auf die Hallig«, schwatzte Opa gerade. »Wenn es wärmer wird, brechen die Eisschollen am Anleger.«
    Tore merkte auf und wartete auf den aufregenden Bericht über das fehlende Heizöl. Das sollte Tagesgespräch auf der Hallig sein, hatte ihm der Vater erzählt.
    Aber vom Öl sprach der Opa nicht. Vielleicht wollte er Herrn Meier nicht erschrecken. »Früher«, begann Fedder stattdessen in geheimnisvollem Ton, »hätten Sie am Lorenbahnhof die Lore den Deichabhang noch hochschieben müssen. Auch als Gast! Da wäre jede Hand gebraucht worden. Da segelte man mit der Lore. Motoren gab es nicht.«
    »Tatsächlich?«
    Der Kerl war mürrisch. Für die Hallig von früher schien ersich nicht zu interessieren. Erst als Tore ihn aufreizend musterte, bequemte er sich zu einer echten Antwort.
    »Wäre wahrscheinlich ein ganz passables Fotomotiv gewesen«, stellte er widerwillig fest.
    »Oh, ganz sicher«, bestätigte Opa. »Es gibt ein sehr schönes von Tante Magda auf der Lore. Käpt’n Magda. Sie versah den Postdienst und war die Letzte, die eine Segellore fuhr.«
    »Muss ich mir mal zeigen lassen.«
    »Machen Sie das. Da kommt übrigens die Lore. Endlich! Gleich geht’s weiter.«
    Tore blickte nach vorn. Diffuse Lichtstrahlen blinzelten durch den Nebel und wuchsen sich langsam zum gebündelten Strahl eines Scheinwerfers aus. Kurz danach tauchte auch die kastenförmige Lore
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