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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
Autoren: Wolfgang Burger
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von Heidelberg entfernt. Dort meinten sie kurz nach Mitternacht etwas Verdächtiges beobachtet zu haben, hatten einen Wagen verfolgt und schon nach wenigen Hundert Metern ihr Dienstfahrzeug, einen knapp zwei Jahre alten Audi A6, in einen wertlosen Schrotthaufen verwandelt.
    Mitten im Ort, gegenüber der Kirche, hatte Runkel erst eine Straßenlaterne, dann einen Betonblumenkübel und schließlich noch einen original französischen Wegweiser umgemäht. Dieser Wegweiser war aus Beton, ein Geschenk von Plankstadts Partnerstadt Castelnau-le-Lez und somit praktisch unersetzlich. Der Beifahrer lag mit Schlüsselbeinbruch im Krankenhaus, weil er im Trubel der aufregenden Ereignisse vergessen hatte, sich anzuschnallen. Der Wagen, den die beiden Knallköpfe verfolgt hatten, war über alle Berge, und von einem Einbruch in Plankstadt war nichts bekannt.
    Zur Aufheiterung erzählte mir Sönnchen von ihrem Wochenende. Am Sonntagabend hatte sie im Dom von Speyer gesungen. Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Meine Sekretärin sang im Kirchenchor.
    »Eine unglaubliche Stimmung. Diese fast tausend Jahre alte Kirche, die Musik, die Akustik. Zum Weinen schön.«
    »Schicke Bluse«, fiel mir erst jetzt auf. »Neu?«
    Sie zupfte am Kragen des angesprochenen Kleidungsstücks und errötete zart. »Ganz neu nicht. Trotzdem schön, dass sie Ihnen gefällt.«
    Auch ihr Haar schien mir irgendwie verändert zu sein, aber ich wollte mich nicht schon wieder blamieren und hielt deshalb den Mund. Als sie an ihren Schreibtisch im Vorzimmer zurückging, leuchteten ihre Augen.
    Ich hatte gerade die Akte aufgeklappt, die zuoberst auf meinem Stapel lag, als es klopfte. Sönnchen streckte ihren dauergewellten Kopf herein.
    »Da ist ein junger Mann, Herr Gerlach«, sagte sie leise. »Ich weiß, Sie haben zu tun, aber …« Ihre Miene verriet, dass der Besucher bereits im Vorzimmer stand und mithörte. »Es geht um ein verschwundenes Mädchen …«
    Ich klappte meine Akte wieder zu.
    »Henning Dellnitz«, stellte sich der schlaksige Junge vor. Etwas in mir weigerte sich hartnäckig, ihn »Mann« zu nennen, obwohl er mindestens eins achtzig groß war und ein Hauch von Bart seine Oberlippe zierte. Er setzte sich umständlich, und erst jetzt erkannte ich ihn. Vor mir saß ein Schulfreund meiner Mädchen. Chip, das Computergenie der Klasse. Sein Gesicht war picklig, die Nase gerötet, die Bewegungen linkisch, die Füße zu groß. Die Farbe seiner lockigen Haare lag irgendwo zwischen blond und brünett.
    »Ich helfe Louise und Sarah manchmal mit den PCs, wenn mal wieder was nicht funzt.« Seine Finger zitterten. Auch die Augen waren gerötet.
    »Sie kommen wegen Lea?«
    »Ich möchte, dass Sie sie finden«, sagte er heiser. »Es ist nämlich … Ich … Wenn ich irgendwas helfen kann, sagen Sie es mir bitte. Ich kenne mich mit Computern aus. Ich mache alles. Sie müssen mir nur sagen, was.«
    »Haben Sie zurzeit nicht Unterricht?«
    »Ich bin krank. Seit Dienstag schon. Fiebrige Erkältung. Und Lea … Lea und ich …«
    »Sie mögen sie?«
    Er nickte verlegen, senkte den Blick.
    »Beruht die Zuneigung denn auf Gegenseitigkeit?«
    Betretene Miene. Also nicht. Wohl die erste unglückliche Liebe des armen Kerls, dessen Augen sicher nicht nur vom Schnupfen gerötet waren.
    »Wir waren zweimal abends zusammen weg«, flüsterte er. »Wir haben uns geküsst. Und am nächsten Morgen … Sie hat mich …«
    »Frauen sind leider manchmal so«, sagte ich mitfühlend. »Sie werden sehen, beim zweiten Mal tut es schon nicht mehr so weh.«
    Der verliebte Schüler saß mit hängendem Kopf auf seinem Stuhl und wagte nicht mehr, mir ins Gesicht zu sehen.
    »Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie mir bei der Suche nach Lea helfen wollen«, fuhr ich fort. »Aber im Moment suchen wir noch nicht mal richtig nach ihr. Das ist nämlich nicht so einfach. Lea ist fast volljährig. Vielleicht hat sie einfach keine Lust mehr auf Schule und macht ein paar Tage Ferien außer der Reihe. Vielleicht hat sie …«
    Ich brach ab. Die Möglichkeit, Lea könnte in Straßburg einen interessanten Mann kennengelernt haben, hätte den armen Jungen vermutlich nicht getröstet.
    »Die wenigsten bei uns haben noch Bock auf Schule«, murmelte er. »Und wenn ich auf eigene Faust …? Ich habe einen Motorroller. Ich könnte nach Straßburg fahren …«
    Fast hätte ich gelacht. »Straßburg hat über eine halbe Million Einwohner. Da können Sie Jahre herumfahren, ohne sie zu treffen.«
    »Aber
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