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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Autoren: Ann Benson
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selbst auf der Flucht vor der englischen Gerichtsbarkeit war …
    Ein schrecklicher Gedanke schoss ihr durch den Kopf, als die englischen Reiter in all ihrer Pracht an ihr vorbeiritten: Wie viel würden sie wohl für eine Auskunft über ihn zahlen?

    Es würde doch gewiss genug sein für die Überfahrt und ein neues Leben.
    Nein, schalt sie sich, das wäre ein gottloser Verrat an einem guten Mann.
    Aber war er das wirklich? Gut? Ihr Mann war trotz der Bemühungen des Arztes gestorben. Er versteckte ein Kind, einen Knaben mit blonden Haaren und blauen Augen, dessen Mutter irgendeine englische Adlige war, vielleicht sogar königlicher Abstammung. Sie kam zu dem Schluss, dass es ihre Pflicht war, ihn anzuzeigen. Schließlich war sie Engländerin. Und es ging um ihr Leben. Sie schritt schneller aus und folgte den Reitern. Kurz bevor sie den Trupp erreicht hatte, bekreuzigte sie sich und sprach ein Gebet, in dem sie um Vergebung bat.

    Gefangen in einem Traum, vernahm Alejandro das mitternächtliche Klopfen; auf der Flucht vor schemenhaften Ungeheuern hastete er durch einen finsteren Wald - was ihm nur zu vertraut war -, als ihn das Geräusch unvermittelt aus den Tiefen des Schlafs riss. Er öffnete die Augen, ohne jedoch in der Dunkelheit etwas erkennen zu können.
    Seit Tagen hatte er nichts von der Frau des Böttchers gehört, und er fragte sich, ob die letzte Stunde des Mannes gekommen sei. Er setzte sich auf seiner schmalen Bettstatt auf und fuhr sich mit der Hand über den Bart. Dann strich er sich die langen dunklen Haare hinter die Ohren und stellte die Füße auf den aus festgestampfter Erde bestehenden Boden der Kammer, die er sich mit dem Knaben teilte - Guillaume, der ungeachtet des Klopfens weiter den Schlaf eines unschuldigen Kindes schlief. Beim Aufstehen durchzuckte seine Knie ein stechender Schmerz - ein Vorbote dessen, was ihm im Alter bevorstand, wie er befürchtete.
    Aber all das würde er ohne Klagen hinnehmen, und er schickte ein rasches Gebet gen Himmel, dass es ihm vergönnt sein möge, lange genug zu leben, um jede Unbill des Alters zu erfahren, wenn er nur einmal noch das Mädchen wiedersähe, das
er seine Tochter nannte. Mädchen? Längst war sie eine junge Frau. Er gestattete sich ein paar Augenblicke lang, in schmerzlicher Sehnsucht an diese junge Frau zu denken, die vor sieben Jahren in ihrem tiefem Kummer über den Verlust des Gatten das Kind zur Welt gebracht hatte. Sie war ihm ebenso teuer, wie es jedes von ihm selbst gezeugte Kind nur hätte sein können - nur dass es dazu bedauerlicherweise nie gekommen war.
    Der Schmerz in seinem Herzen ließ den Schmerz in seinen Knien lächerlich erscheinen. Er schalt sich selbst für seine sehnsuchtsvollen Gedanken; wenn Sehnsucht Nähe schaffen könnte, dann würde sich die junge Frau jetzt hier bei ihm befinden, wo ihr Platz war, und nicht unter jenen Menschen, mit denen sie infolge irgendeines fürchterlichen Irrtums Gottes blutsverwandt war.
    Vergib mir, betete er. Wenn ich auf Deine Irrtümer deute, dann ist das kein Zeichen fehlenden Respekts. »Aber wie kommt es«, sagte er kaum hörbar, »dass ein solches Klopfen immer zur unheimlichsten Stunde zu hören ist, wenn man unwillkürlich denkt, dass auf der anderen Seite der Tür ein grässlicher Dämon wartet?«
    Die unerklärliche Furcht, die sich seiner bemächtigte, beruhte sicher nur auf Einbildung; vor der Tür würde nur eine kleine, erschöpfte Engländerin stehen. Er duckte sich unter einem niedrigen Türstock hinweg, und noch bevor er sich wieder aufrichtete, war ein erneutes Klopfen zu vernehmen.
    Er richtete sich langsam auf und starrte auf die Tür. Die lauten Schläge konnten nicht von einer bekümmerten alten Frau herrühren, sondern mussten von jemandem mit einer stärkeren Faust stammen. Und danach zu urteilen, wie rasch und kraftvoll sie aufeinanderfolgten, von jemandem mit einem sehr viel dringlicheren Anliegen.
    Den Rest des Weges zur Tür legte er auf Zehenspitzen zurück und blieb dann seitlich davon stehen. »Stellt Euch niemals direkt vor eine Tür«, hatte ihm Eduardo Hernandez einst eingeschärft. »Richtig geführt, vermag ein anständiges Schwert ohne
weiteres durch das Holz zu dringen. Stellt Euch vor«, war der erfahrene Soldat mit seiner Warnung fortgefahren, »was erst ein gutes Schwert in der Hand eines Meisters mit Euren Eingeweiden anrichten kann. Selbst Ihr mit all Euren Kenntnissen wärt in diesem Fall hilflos.«
    Aber wer sollte zu dieser Stunde, da die
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