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Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Titel: Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Autoren: James Clemens
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Bruder trauerte.
    »Haben wir gesiegt?« fragte Joach leise und stützte sich auf seinen Stab.
    Niemand wusste eine Antwort.
    Wennar marschierte herbei. Sein Panzer war über und über mit Blut befleckt. Er nahm den Helm ab und fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel. »Den Tunnel nach Schwarzhall gibt es nicht mehr.« Er deutete auf die hintere Wand. Dort öffneten sich noch mehrere Gänge, doch wo die Öffnung gewesen war, durch die das Zwergenheer die Höhle betreten hatte, sah man nur massiven Granit.
    »Die schwarze Magik, die beide Höhlen miteinander verband, hat ihre Wirkung verloren«, murmelte Er’ril. »Es mag daran liegen, dass der Mond untergeht, oder daran, dass der Herr der Dunklen Mächte geschlagen wurde, jedenfalls ist es mit ihr vorbei.«
    Neben Ni’lahn hob Merik den Kopf. »Das ist es auch mit unserer Magik. Zumindest auf diesem schwarzen See sind wir von unseren Kraftquellen abgeschnitten.«
    Er’ril runzelte die Stirn. »Vielleicht sollten wir …«
    Er verstummte. Die Erde bebte. Felsstaub rieselte von der Decke.
    »Vielleicht sollten wir verschwinden«, schlug Harlekin vor und betrachtete besorgt das Felsgewölbe.
    Die Schwingungen legten sich, aber die Unruhe in den Gesichtern blieb.
    Er’ril nickte. »Ich glaube, Harlekin hat Recht.«
    Der kleine Mann zog spöttisch eine Augenbraue hoch. »Das hört man nicht alle Tage. Der Präriemann ist doch tatsächlich mit mir einer Meinung. Vielleicht ist wirklich das Ende der Welt gekommen.«
    Er’ril seufzte. Er wusste, dass er dem Meisterspion manches abzubitten hatte. Doch das hatte Zeit bis später. »Zunächst müssen die Verwundeten versorgt werden, und dann bereiten wir alles für einen baldigen Abzug vor.«
    Alle nickten. Kast, Wennar und Tyrus gingen zu den Verletzten und scharten den Rest ihrer jeweiligen Streitkräfte um sich.
    Er’ril wandte sich an Elena. »Ich muss hier bleiben«, sagte sie leise und schaute unverwandt auf den schwarzen Boden. »Bis Cho zurück ist.«
    Wieder erschütterte ein leichtes Beben die Höhle. Er’ril zog Elena in seine Arme und spürte, dass auch sie zitterte.
    »Cho wird ihren Bruder schon zur Vernunft bringen«, versicherte er ihr.
    »Und wenn nicht?« flüsterte Elena.
    Er’ril seufzte. »Dann werden wir uns dem Schicksal gemeinsam stellen.«
    Er hatte sie trösten wollen, doch sie zog sich noch mehr zurück. Er konnte es kaum mit ansehen. »Elena«, flüsterte er. »Was hast du?«
    Sie starrte nur stumm und allein auf den schwarzen Boden zu ihren Füßen.
    Als die Erde erbebte, stand Tol chuk vor der bleichen, ausgemergelten Kreatur, ohne so recht zu wissen, was er hier eigentlich wollte. Mitleid, Gnade, einen letzten Dienst hatte Ly’chuk sicherlich nicht verdient. Was vor ihm lag, war ja kaum noch als Og’er zu erkennen. Das Rückgrat war verkrümmt, die Beine glichen dürren Ästen, die Haut war so dünn, dass die Schädelknochen durchschimmerten.
    Dennoch fiel Tol chuk auf die Knie und legte seinen Hammer beiseite. Die riesigen Augen in dem verhärmten Gesicht folgten ihm.
    Der erste und der letzte Vertreter eines Geschlechts sahen sich an.
    Wieder fragte sich Tol chuk, was er hier wollte. Er hatte erkannt, dass sie zwar das gleiche Blut hatten, sein Herz aber ihm allein gehörte. Die Wut in Ly’chuks Augen loderte nicht mehr so heftig. Sein Vorfahr war nur wenige Herzschläge vom Tod entfernt. An diesem dünnen Lebensfädchen fand selbst die stärkste Verderbnis keinen Halt mehr.
    Eine Krallenhand bewegte sich auf ihn zu, hatte aber nicht mehr die Kraft, ihn zu erreichen.
    Tol chuk sah kein Flehen in Ly’chuks Augen, dennoch griff er nach der Hand und nahm sie in die seine. Wieder fragte er sich … Warum? Ein einziges Wort. Was hielt ihn hier?
    Die Finger drückten die seinen, Fleisch und Fleisch berührten und erkannten einander in den letzten Augenblicken des Lebens.
    Tol chuk rückte näher. Sein eigener Vater war in einem der sinnlosen Og’er Kriege umgekommen, ohne dass er ihm in seiner letzten Stunde hätte beistehen können. Ein Bild aus seiner Kindheit tauchte auf. Der Leichnam seines Vaters, wie er, den tödlichen Speer noch in der Brust, an ihm vorbeigetragen wurde. Sie waren sich im Leben nicht näher gewesen als im Tod. Sein Vater war verbittert gewesen über den Verlust seines Weibchens und hatte den halbblütigen Sohn nur als Belastung empfunden. Im Geiste hatte er Tol chuk längst verlassen, bevor man ihn blutüberströmt an ihrer Wohnstätte
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