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Al Wheeler und die Verführerin

Al Wheeler und die Verführerin

Titel: Al Wheeler und die Verführerin
Autoren: Carter Brown
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trinken an.
    »Danke, Leutnant«, sagte er
erfreut, »-ich kann wahrhaftig einen vertragen.«
    Während ich eingoß, sah ich ihn
mir noch einmal genau an. Er sah auf eine billige Art gut aus, hatte dichtes
glänzendes Haar und einen kleinen Schnurrbart; seine Augen hatten schwere Lider
und blieben keinen Augenblick still, wie bei einem Vertreter für Haus- und
Küchengeräte, der unablässig nach dem Ausgang schielt, sobald sein Opfer auf
der gepunkteten Linie unterschrieben und noch nicht Zeit gehabt hat, das ganz
Kleingedruckte unten an der Seite zu lesen. Sein Anzug war teuer, aber ein
bißchen zu superelegant, und man konnte ihn höchstens fünf Minuten ansehen,
ohne Augenschmerzen zu bekommen.
    »Wir haben’s im Radio gehört«,
sagte er und kippte die Hälfte seines Whiskys hinunter, »und sind sofort nach
Pine City zurückgeflogen.«
    »Von wo — Tijuana?«
    »Mexiko?« er schüttelte heftig
den Kopf. »Nevada, Leutnant.«
    »Wo sind die beiden jetzt?«
    »In einem Hotel in der Stadt«,
sagte er nervös. »Natürlich nicht unter ihrem richtigen Namen. Ich dachte, es
ist am besten, ich gehe erst mal zu Ihnen und erkundige mich, was eigentlich
los ist.«
    »Dieser Marvin ist zwei Räume
neben dem, in dem die beiden gestern nacht wohnten, ermordet worden«, sagte
ich, »das ist los. Sollte dieses kleine Detail im Radio nicht erwähnt worden
sein?«
    Er trank sein Glas aus, bevor
er antwortete. »Natürlich — ja, klar ist das erwähnt worden, Leutnant. Aber
Angela und Rickie haben überhaupt nichts damit zu tun, das ist die reine
Wahrheit.«
    »Dann brauchen sie sich auch
keine Sorgen zu machen«, sagte ich. »Am besten gehen wir gleich zu ihnen.«
    »Okay«, nickte er. »Ich wollte
nur keine Zeitungsleute und all den Zauber — Sie wissen schon. Deswegen habe
ich die beiden nicht gleich in das Sheriffbüro gebracht.«
    »Und was sind Sie, wenn ich
fragen darf, der Vormund?«
    Sein Mund verzog sich zu einem
Grinsen. »Tja, wissen Sie, ich bin Rickies älterer Bruder, und wenn er in der
Tinte sitzt, fragt er mich eben um Rat.«
    »Okay«, sagte ich, »dann wollen
wir mal sehen, wie tief er in der Tinte sitzt.«
    Das Hotel war nur vier
Querstraßen weit vom Starlight und trotzdem eine Million Lichtjahre
davon entfernt. Ein mit ähnlichem Humor wie der Motelbesitzer begabter Bursche
hatte es Grand-Hotel getauft: ein verkommen aussehendes Bums,
verblichen, mit abplatzender Farbe, die letzte Zuflucht für abgetakelte
Handelsvertreter und alternde Schauspielerinnen ohne Engagement. Die Art Hotel,
in dem man Zimmer stundenweise mieten kann.
    Ray Willis zuckte
entschuldigend die Schultern, als wir aus dem Wagen stiegen. »Die Scheinchen
sind knapp geworden, Leutnant«, sagte er milde. »Mehr können sie sich nicht
leisten.«
    Die Einrichtung der Halle war
schäbig und staubig wie der Angestellte im Empfang. Letzterer sah nicht so aus,
als ob er seinen gerechten Anteil am Handgeld der Sünde erhielt. In so einer
Bruchbude konnte es weder echte Lasterhaftigkeit noch wirkliches Vergnügen an
der Sünde geben. Nur Gewohnheit vermochte so etwas am Leben zu erhalten.
    Der Fahrstuhl keuchte mit
letzter Kraft in den dritten Stock; dann ging Ray Willis den Korridor voran zu
einem Zimmer, das die Nummer 301 trug, und klopfte zweimal.
    Eine jüngere Ausgabe seiner
selbst öffnete und starrte uns verdrossen an.
    »Rickie«, sagte Ray Willis
schnell, »ich habe den Leutnant gleich mitgebracht.«
    Rickie Willis musterte mich
eingehend, und ich entnahm seinem Blick, daß er über das, was er sah, nicht
übermäßig erfreut war — was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte. Er war jünger
und kräftiger als sein Bruder. Sein schwarzes Haar war ganz kurz geschoren, und
im Gegensatz zu seinem Bruder legte er auf die Feinheiten der Garderobe
offenbar keinen Wert. Er trug eine müde, beinahe formlos an ihm
herunterhängende Sportjacke mit großen roten Karos und ein Paar fleckiger
Baumwollhosen. Das grüne Strickhemd, das er darunter trug, stand offen und ließ
auf seiner Brust einen schwarzen drahtigen Urwald sprießen, daß man meinen
konnte, er bekomme täglich vor dem Frühstück eine Hormonspritze.
    »Hast du ihm gesagt, daß wir
nichts damit zu tun haben?« sagte er mit einer tiefen, volltönenden Stimme.
    »Ich dachte, du sagst es ihm
lieber selber, Rickie«, sagte sein Bruder sanft. »Laß uns herein, bitte.«
    »Ah — klar.« Rickie rief über
die Schulter: »He, Angie! Biste angezogen? Wir haben Besuch — ‘nen
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